Banküberfälle im Libanon - Sparer klauen ihr eigenes Geld
Viele Bankkunden kommen nicht an ihr Geld. Manche greifen daher zu teils drastischen Mitteln.

Im Libanon tut sich Erstaunliches. In dem seit Jahrzehnten von Krisen heimgesuchten Mittelmeerstaat kommen Bankkunden oftmals nicht mehr ohne Einschränkungen an ihr Geld bei den Banken. Schuld daran ist auch die katastrophale wirtschaftliche Lage inklusive einer massiven Geldentwertung im Libanon. In ihrer Verzweiflung nehmen immer mehr Menschen die „Auszahlungsformalitäten“ selbst in die Hand – nicht selten sind sie dabei bewaffnet.
Lesen Sie auch: Peinlicher Fehler: die „nördlichste Insel der Welt“ ist eigentlich nur ein Eisberg!>>
Allein am Freitag gab es fünf Banküberfälle, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Am frühen Morgen stürmte ein Mann mit seinem Sohn eine Bank in der Stadt Ghasijeh im Süden des Landes, wie ein Sicherheitsmann sagte. Der Vater bedrohte die Angestellten mit einer Waffe, bei der es sich Medienberichten zufolge um eine Spielzeugwaffe handelte, und forderte sie auf, ihm seine Ersparnisse auszuzahlen. Der Bankräuber floh schließlich mit rund 19.000 Dollar (etwa 19.000 Euro) in bar, stellte sich aber kurz darauf der Polizei.
Lesen Sie auch: Ermittlungen gegen Karl Lauterbach – Gesundheitsamt Berlin Mitte überprüft Gesundheitsminister >>
Verschuldeter Ladenbesitzer verschanzt sich in Bank
Einige Stunden später kam es in der Hauptstadt Beirut zu einer angespannten Situation. Zeugen berichteten, dass sich ein verschuldeter Ladenbesitzer Zugang zu seinen Ersparnissen verschaffen wollte. Der unbewaffnete Mann habe sich in der Bank verschanzt.
In einem anderen Stadtteil stürmte ein bewaffneter Mann eine Bankfiliale, wie Anwohner berichteten. Daneben ereigneten sich am Freitag zwei weitere Fälle im Libanon.
Angesichts der Häufig von Banküberfällen berief der libanesische Innenminister am Freitag eine Dringlichkeitssitzung ein, „um die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen“. Der libanesische Bankenverband kam ebenfalls zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen und ordnete für die kommende Woche an, alle Bankfilialen für drei Tage geschlossen zu halten.
Lesen Sie auch: Blackout-Angst vor Unruhen und Plünderungen: DAS sind die geheimen Pläne der Berliner Polizei >>
Libanon: Verschieben die Banken Geld ins Ausland?
Kritiker beschuldigten die Banken, wie ein Kartell zu handeln und große Summen für hochrangige libanesische Beamte außer Landes zu schaffen. Für normale Bürger sind Auslandsüberweisungen bereits nicht mehr möglich.
Ein wichtiger libanesischer Sparerverband drückte seine Unterstützung für die Täter aus und erklärte, sie seien „Ungerechtigkeit und Unterdrückung“ ausgesetzt.
Ausgelöst hatte den Schneeballeffekt eine junge Frau am Mittwoch, die mit einem Überfall auf eine Bank in Beirut mehrere tausend Euro erbeutet hatte. In einem in Online-Netzwerken verbreiteten Live-Video von ihrem Überfall sagte die Aktivistin, der von ihr geraubte Geldbetrag in Höhe von rund 13.000 Dollar sei Teil des Ersparten ihrer krebskranken Schwester. In der Bevölkerung erhielt die junge Frau für ihre Tat viel Unterstützung.
Ebenfalls am Mittwoch hatte ein Mann eine Bank im Nordosten der Hauptstadt überfallen, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtet hatte.
Die Menschen im Libanon leiden seit 2019 unter der schlimmsten Wirtschaftskrise in der Geschichte des Landes. Die Landeswährung verlor auf dem Schwarzmarkt mehr als 90 Prozent ihres Wertes. Armut und Arbeitslosigkeit haben zuletzt stark zugenommen.
Nach Angaben der Weltbank hatten die libanesischen Behörden in den vergangenen Jahrzehnten ein Schneeballsystem mit den Einlagen betrieben. Bestehende Investoren wurden dabei mit dem Geld von Neuanlegern ausbezahlt. Die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Akteure des Landes hätten davon profitiert – zum Nachsehen der privaten Haushalte.