Philipp F. tötete sieben Menschen und sich selbst.
Philipp F. tötete sieben Menschen und sich selbst. Collage: Jonas Walzberg/dpa und privat

Es ist eine Website die professionell daherkommt. Auf ihr zeigt sich ein adrett gekleideter junger Mann. Er will sich als Berater darstellen, gibt seine nach eigenen Angaben makellose Karriere, Studienabschlüsse und Stationen in wichtigen Unternehmen an. Es ist die Website von Philipp F. – dem Amokläufer, der am Donnerstagabend sieben Menschen und sich selbst getötet hat.

Mittlerweile kommen immer mehr Details über den Täter ans Licht. Er wird 1987 in Memmingen geboren, wächst in Kempten im Allgäu in einer „streng evangelischen Familie“ auf. Mittlerweile ist klar, dass er in seinem Lebenslauf damit eine Kindheit bei den Zeugen Jehovas verniedlichen wollte.

Nach dem Abschluss an einer Schule beendet er eine Banklehre und den Zivildienst. Laut dem Südkurier schließt er sich einem Fanclub des FC Liverpool in seiner Heimatstadt Kempten an, spielt in einem anderen Verein Fußball. Dann aber verschwindet er ganz plötzlich, bricht auch den Kontakt zu guten Freunden ab.

Anschließend studiert er in München und im Ausland Business Administration und schließt mit Bachelor und Master ab.

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Amokläufer Philipp F. führte ein unstetes Leben

Doch schon seine berufliche Laufbahn danach zeigt ein unstetes Leben. Nach dem Studium arbeitet der Täter laut eigenen Angaben auf seinem Profil im Karrierenetzwerk LinkedIn für insgesamt fünf Unternehmen, bevor er sich selbstständig macht. Für eine Firma ist er zum Schluss nur für drei Monate tätig. Bereits 2014 zog Philipp F. laut Polizei nach Hamburg. Danach nimmt er sich Auszeiten.

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Ob er keine Stelle mehr fand oder sich freiwillig selbstständig gemacht hat, ist bisher unklar. Doch er mietet ein Büro am Ballindamm, direkt an der Hamburger Alster. Er lässt sich eine Webseite erstellen, auf der er sich und seine Tätigkeiten beschreibt.

Für Beratertätigkeit will er 250.000 Euro plus Mehrwertsteuer – pro Tag

Doch hier zeigt sich auch der erste Anschein seines Wahns. Er will als Berater arbeiten und verlangt für seine Tätigkeit 250.000 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer – als Tageshonorar. Selbst Top-Manager bekommen keinen solchen Tagessatz. Er gibt an, dass er dafür für Kunden Werte im Bereich von 2,5 Millionen Euro schaffen werde.

Auf einer Webseite bot er Beratertätigkeiten für 250.000 Euro plus Mehrwertsteuer pro Tag an.
Auf einer Webseite bot er Beratertätigkeiten für 250.000 Euro plus Mehrwertsteuer pro Tag an. Privat

Auch auf der Webseite veröffentlicht er Schreiben, die seine wirren Vorstellungen darlegen. So fordert er, dass mehr Menschen in ihren Dreißigern in Führungspositionen sitzen sollten. Doch wirklich Sorgen bereitet vor allem ein Buch, dass er im Dezember 2022 bei Amazon zum Verkauf einstellte.

In wirrem Buch preist er Adolf Hitler

In der Buchbeschreibung kündigt er: „Niemals zuvor wurde versucht, die Wechselwirkung zwischen Himmel und Erde deutlich zu machen und die Einflüsse der Geistpersonen [Gott, Jesus Christus, Satan] auf die Menschheit, die Gesellschaft und den Einzelnen sichtbar zu machen.“ Er preist die Schrift über 306 Seiten als neues „Standardwerk für Theologie und Recht“ an. Adolf Hitler nennt er in einer Passage die menschliche Ausführung von Jesus Christus.

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Über seine Verbindungen zu den Zeugen Jehovas gibt es bisher noch viele Unklarheiten. Mit Sicherheit weiß die Polizei nur, dass er bis vor rund eineinhalb Jahren selbst Mitglied der Gemeinde gewesen sein soll, auf die er am Donnerstag schoss. Auf der Pressekonferenz der Polizei gab Thomas Radszuweit, Leiter Staatsschutz Hamburg, an, dass es widersprüchliche Aussagen von Zeugen gab, ob F. die Gemeinde der Zeugen Jehovas freiwillig verlassen habe oder ob er rausgeworfen wurde. Ein Hamburger Vertreter der Glaubensgemeinschaft gab auf der Konferenz an, dass F. freiwillig gegangen sei.

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Tatwaffe legal im Dezember erworben

Anzeigen oder andere Ermittlungen gegen F. hat es laut Polizei in Hamburg gegen F. nicht gegeben. Stattdessen habe er mehrere Anzeigen gegen andere erstattet, die nun überprüft werden sollen.

Sieben Menschen und sich selbst tötete der Amokläufer.
Sieben Menschen und sich selbst tötete der Amokläufer. Jonas Walzberg/dpa

Doch es gab wohl Anzeichen für die Radikalisierung des Philipp F. Laut Polizei erhielt er als Sportschütze im Dezember vergangenen Jahres eine Waffenbesitzkarte und kaufte sich die spätere Tatwaffe – eine Heckler & Koch P30. Bei der Tat verschoss er neun volle Magazine mit 15 Schuss jeweils – also deutlich über 100 Schuss.

Hausdurchsuchung durch Waffenbehörde lieferte keine „Tatsachen“ als Grundlage für psychologische Untersuchung

Weitere 20 Magazine hatte er dabei. Im Zuhause von F. fand die Polizei bei einer Durchsuchung 15 zusätzliche Magazine und 200 weitere Patronen. 

Fragen gegen die Behörden wirft derzeit vor allem auf, dass die zuständige Waffenbehörde im Januar ein anonymes Hinweisschreiben erhalten hatte. Darin wurde auf eine mögliche psychische Erkrankung von F. hingewiesen. Eine ärztlichen Behandlung lehne er ab.

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Im Schreiben sprach der Verfasser auch davon, dass F. einen Hass auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber habe. Der anonyme Schreiber forderte eine waffenrechtliche Überprüfung von Philipp F. Die fand Anfang Februar 2023 statt. Doch die Waffe nahm man dem späteren Amokläufer nicht ab. Tatsachen, die für eine psychologische Untersuchung laut Polizeipräsident notwendig gewesen wären, hätten die Kontrolleure nicht erkannt.