Adipositas bei Kindern: So versetzen Sie Ihre Kids in den Ferien in Bewegung
Während des Lockdowns fehlte vielen Schülern die Bewegung. Eine Kinderärztin gibt im KURIER Tipps.

Die Zeit während des Corona-Lockdowns verbrachten auch Berliner Schulkinder meistens zu Hause – sie mussten auf Schulweg und Freizeitaktivitäten und damit auch oft auf Bewegung verzichten. Schlecht, denn: Seit Jahren ist Übergewicht bei Kinder ein großes Problem. In den Ferien können Eltern etwas dagegen tun. Gesundheitswissenschaftlerin und Kinderärztin Dr. Almut Dannemann hält am Sana-Klinikum die Adipositas-Sprechstunde für Kinder ab – und gibt im KURIER Tipps.
Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ist ein ernst zu nehmendes Problem. Laut Bundesministerium für Gesundheit sind 8,7 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig, und 6,3 Prozent adipös, also stark übergewichtig. Eine aktuelle Veröffentlichung in der Monatsschrift „Kinderheilkunde“ zu Gesundheit und Fitness von Schulkindern zeigt weiterhin hohe Zahlen für Übergewicht und Adipositas, sagt Dr. Almut Dannemann, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) am Sana-Klinikum. „In der Altersstufe der Elfjährigen haben demnach mehr als ein Viertel der Kinder ein Problem mit Übergewicht und Adipositas“, sagt sie. „Bei den Kindern in der zweiten Klasse sind es etwa 22 Prozent.“

Die Gründe sind vielschichtig, die Probleme nicht leicht zu erfassen. „Man geht davon aus, dass die Genetik in etwa 50 bis 80 Prozent für die Übergewichtsentwicklung verantwortlich ist und nur in 30 bis 50 Prozent der Lebensstil eine Rolle spielt“, sagt Dannemann. Übergewicht habe oft etwas mit der Herkunft und dem sozialen Status zu tun. Menschen mit besserer Bildung und höherem Einkommen beschäftigen sich eher mit Themen wie gesunder Ernährung. „In sozial benachteiligten Familien ist es oft so, dass die Kinder weniger häufig in Sportvereinen aktiv sind. Und wer sich entscheiden muss, ob er ein Vollkorn- oder ein Toastbrot kauft, guckt zuerst in die Geldbörse.“
Stark übergewichtigen Kindern und Jugendlichen drohen im späteren Leben orthopädische Beschwerden, Leberverfettung, Bluthochdruck und Diabetes, das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte steigt. Neben diesen körperlichen Gesundheitsproblemen sei Übergewicht auch psychisch belastend. „Das wohl gravierendste Problem ist die Ausgrenzung. Übergewichtige Kinder können oft nur beschränkt an altersgemäßen Aktivitäten teilnehmen, nicht so gut auf dem Spielplatz mit anderen rennen oder im Sportunterricht mithalten.“

Die Corona-Krise und der damit verbundene Lockdown habe das Problem verstärkt. Für die Kinder fielen die Schulwege weg, die Freizeitaktivitäten, die Treffen mit Freunden. „Auf den großen Teil der Bewegung, die sie im Alltag haben, mussten sie verzichten“, sagt Dannemann. Umso wichtiger sei es, nun die Ferien zu nutzen, um wieder in Schwung zu kommen. Die Ärztin gibt Tipps zum Vorbeugen:
Viel Wasser trinken. „Übergewicht beginnt schon beim falschen Trinken. Es ist wichtig, energiefrei zu trinken, also ungesüßte Tees oder Wasser. Bei meiner Arbeit begegne ich Familien, die sagen, dass das nicht schmeckt – und stattdessen zu Brause und Säften greifen“, sagt Dannemann. Das Problem: Fruchtsaft enthält genauso viel Zucker wie Cola. „Wenn Saft, dann nur ein Glas am Tag – und selbst darin sind acht Stück Würfelzucker.“
Normale Portionsgrößen. Die Größe der Portion, die ein Mensch braucht, ist von Alter zu Alter unterschiedlich. „Aber jeder hat sein Maß dabei – die eigene Hand“, sagt Dannemann. Eine Scheibe Brot darf so groß sein wie die ganze Hand, eine Portion Gemüse die Hand mit gespreizten Fingern. Süßigkeiten oder Knabbereien sollten nur einmal am Tag gegessen werden – und dann nur so viel, wie in die hohle Hand passt. „Und als Süßigkeit zählt auch ein zweites Glas Saft“, sagt Dannemann.
Ohne Ablenkung essen. Wenn beim Essen der Fernseher läuft, lenkt das ab – es wird dadurch unbewusster gegessen. „In der Familie sollte man die Mahlzeiten gemeinsam am Tisch einnehmen – ohne Fernseher, ohne Handy oder Tablet. Und diese Regel sollte auch für die Eltern gelten. Viele verbieten ihren Kindern die Handynutzung am Tisch, schauen dann aber selbst auf ihr Smartphone.“
Tägliches Rausgehen. „Ein Kind sollte pro Tag 60 bis 90 Minuten in Bewegung sein, dabei etwa 12.000 Schritte machen“, sagt Dannemann. „Wir empfehlen im Moment verstärkt, einen Schrittzähler zu benutzen, damit klar ist, wie viel man geht. In der Sprechstunde haben wir Eltern, die bemerken, dass sie und ihre Kinder sich nicht genug bewegen – sie gehen abends gemeinsam raus, um noch ein paar Schritte zu sammeln.“ Aktivitäten in der Familie sind generell wichtig. „Man sollte sie planen und dann zusammen durchführen“, rät die Expertin.
Auf sich achten. Nicht zuletzt sollten Eltern auch gut auf sich achten. „Denn nur dann, wenn es ihnen selbst gut geht, können sie auch gut für ihre Kinder sorgen“, so Dannemann. „Wer am Rande seiner Kräfte ist, kann auch den Kindern nicht gut tun.“ Vor allem in den Ferien gilt: Wenn die Kinder die Chance haben, Ferienaktivitäten zu besuchen, sollte das genutzt werden. Dann bleiben sie in Bewegung – und die Eltern haben Zeit für sich.