Nur noch 65 Prozent der Männer empfinden realen Sex erregender als Pornografie.
Nur noch 65 Prozent der Männer empfinden realen Sex erregender als Pornografie. imago/CTK Photo (Symbolbild)

Erektions- und Orgasmusprobleme: Laut Statistik scheint das nur ein Problem älterer Männer zu sein. Jeder dritte Mann über 66 Jahre räumt laut einer Statista-Umfrage ein, dass sein Glied nicht mehr steif wird. Bei Männern zwischen 56 und 65 Jahren steht etwa jeder Fünfte zu seinem erschlafften Penis.

16 Prozent aus der betagten Altersgruppe stehen zu ihren Orgasmusproblemen, bei den etwas jüngeren bis 65 Jahren ist es jeder Zehnte. Deutlich weniger geben in beiden Altersgruppen an, unter verfrühter Ejakulation zu leiden.

Grade einmal 7 Prozent jüngerer Männer stehen zu Erektionsproblemen, doch die Dunkelziffer ist weit höher

Spiegelverkehrt das Bild bei den Jüngeren: Verfrühte Ejakulation ist bei 16 Prozent der Männer zwischen 18 und 25 Jahren ein Problem, aber nur 7 Prozent stehen zu Erektionsproblemen und 9 Prozent zu Orgasmusschwierigkeiten. Ob diese Zahlen tatsächlich so zusammenpassen, ist eine Frage, die entscheidendere ist: Stimmen sie überhaupt? Sexualwissenschaftler gehen nämlich von einer hohen Dunkelziffer bei Störungen des männlichen Orgasmuserlebens aus.

Dies, so die Experten, sei auch Folge eines Erwartungsdrucks, dem sich auch jüngere Männer nicht entziehen können: Sie sehen sich in der undankbaren Rolle einer leistungsbereiten Sexmaschine, die sie aber nicht erfüllen können. Was es schlimmer macht: Noch weniger als Frauen wird Männern zugebilligt, zu ihren Versagensängsten zu stehen.

Erektions- und Orgasmusprobleme: Vielen Männern fällt es schwer, darüber zu reden – und mit wem überhaupt?

Obwohl längst in Teilen der Öffentlichkeit ein Umdenken stattgefunden hat, Menschen Anerkennung dafür bekommen, dass sie sogar öffentlich über ihre Ängste sprechen, fällt es vielen Männern weiterhin schwer, vor allem über derart intime Details zu sprechen. Und mit wem überhaupt, Arbeitskollegen, Freunden, der womöglich bereits enttäuschten Partnerin?

Der Berliner Sexualpsychologe Robert A. Coordes führt die in seinen Augen hohe Zahl von männlichen Sexualstörungen auf die Entfremdung der meisten „Menschen, nicht nur Männer“ von sich selbst und ihrem Beziehungsleben. Ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse seien ihnen überhaupt nicht bewusst, stattdessen ließen sie sich von der Erwartung zu immer mehr Leistung antreiben.

Exzessiver Pornokonsum bei Männern gilt als Sex-Killer

Als ein wesentlicher Faktor wird von vielen Sexualforschern der Konsum von Pornos genannt. Erotikfilme werden zwar auch von Pärchen als Inspiration für ihren Sex geschaut, die meisten Pornos werden jedoch von Männern konsumiert. Eine breit angelegte belgische Studie kam jüngst zu einem erschütternden Ergebnis: Gerade mal noch 65 Prozent der Männer finden echten Sex stimulierender als Pornografie. Der Pornokonsum einzelner Studienteilnehmer lag bei über 26 Stunden pro Woche.

In derselben Studie räumte jeder Vierte Erektionsstörungen beim Partner-Sex ein. „Es besteht kein Zweifel, dass Pornos die Art und Weise beeinflussen, wie wir Sex sehen“, so Studienleiter Gunter de Win. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen, die nahelegen, dass ein Zusammenhang zwischen exzessivem Pornokonsum und Potenzproblemen bestehen könnte.

Das Problem: Gerade in extremen Pornodarstellungen, die den Mainstream immer stärker beeinflussen, werden Sexpraktiken gezeigt, die Vorstellungen von befriedigendem Sex prägen: Ohne Gewalt, Erniedrigung, Schmerz wird Sex als öde vermittelt. Psychologen am Berliner Max-Planck-Institut haben sogar herausgefunden, dass sich Gehirnstrukturen nachweisbar durch exzessiven Pornokonsum verändern.

Versagensängste beim Sex: Dahinter kann bei Männern auch eine körperliche Ursache stecken

Wie können Männer diesem Teufelskreis entrinnen? Wer sexuell nur noch durch Pornokonsum erregt wird, sollte sich unbedingt von Spezialisten beraten lassen. Eine urologisch-andrologische Beratung kann man aufsuchen, um abzuklären, ob hinter dem Versagen vielleicht körperliche Ursachen stecken: Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck oder Nebenwirkungen von Medikamenten wie Finasterid bleiben allzu oft unerkannt.

Hinter einer Vielzahl von Sexualstörungen stecken jedoch psychologische Ursachen, was man im Fall der Fälle mit einer Sexualtherapeutin oder einem Sexualtherapeuten abklären kann. Eine stabile Partnerschaft oder eine enge Freundschaft eröffnet den Raum, auch über Versagensängste zu sprechen: Welche Erwartungen hat man an den Sex, vielleicht gehen die Erwartungen eher in Richtung Zärtlichkeit und verspieltem Sex als Gewalt und Rollenspiele?

Nur ausweichen sollte man dem Problem nicht: Sexuelle Störungen bieten die beste Gelegenheit, das eigene Begehren zu ergründen. Besser ist es, dafür Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, als dem sexuellen Frust mit Alkohol und Drogen zu entfliehen – oder mit exzessivem Pornokonsum, der das Sexproblem verstärkt, statt es zu lösen.