Der Hodscha, ein sogenannter Wunderheiler, übernahm die Teufelsaustreibung.<br>
Der Hodscha, ein sogenannter Wunderheiler, übernahm die Teufelsaustreibung.
Foto: Olaf Wagner

Vier Jahre blieb die Ehe zwischen Nesma B. und Wajdi H. kinderlos. Dann beschlossen der Ehemann Wajdi H. und seine Eltern, einen Wunderheiler hinzuzuziehen. Der sogenannte Hodscha riet offenbar zu einer intensiven Salzwasserkur zur Teufelsaustreibung. Sieben Tage später war die 22-jährige Nesma B. tot.

Seit Montag müssen sich Wajdi H., der als Beruf Ingenieur angibt, seine 57-jährige Mutter und sein 58-jähriger Vater vor dem Berliner Landgericht verantworten. Auch Mazen K. sitzt auf der Anklagebank, der angibt, keinen Beruf erlernt zu haben. Mazen K. ist der angebliche Wunderheiler. Die Staatsanwältin wirft den drei Männern und der Frau Körperverletzung mit Todesfolge vor. Die Eltern von Nesma B. sind in dem Verfahren Nebenkläger, aber nicht im Prozess anwesend. Sie leben derzeit in einem Flüchtlingslager im Libanon.

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Was genau geschah vor nunmehr fünf Jahren, steht in der Anklage, die Staatsanwältin Silke van Sweringen an diesem ersten Verhandlungstag verliest und die offenbar auf der Aussage einer Tante der getöteten Frau und den Angaben von Ärzten sowie des Gerichtsmediziners basiert. Demnach soll der angebliche Wunderheiler Mazen K. dem Ehemann und den Schwiegereltern von Nesma B. geraten haben, der jungen Frau böse Geister auszutreiben. Dazu habe Nesma B. in der ehelichen Wohnung in Tempelhof ab dem 30. November 2015 täglich eineinhalb Liter Wasser trinken müssen, das mit bis zu 64 Gramm Kochsalz angereichert worden sei. Ehemann und Schwiegereltern sollen aufgepasst haben, dass die junge Frau das Wasser trank.

Teufelsaustreibung sollte den Körper reinigen

Nesma B. musste das gesundheitsschädliche Gebräu trinken, obwohl Wajdi H., seine Mutter Widad A. und sein Vater Mohamad H. gewusst haben sollen, dass die Frau unter einer Blutgerinnungsstörung und einem fiebrigen Infekt litt und sich zunächst auch geweigert hatte, das Salzwasser zu trinken. Angeblich, so behaupteten es die Angeklagten, würde das Getränk den Körper von Nesma B. reinigen. Der sogenannte Hodscha soll während der häuslichen Trinksitzungen aus dem Koran gelesen haben.

Laut Anklage ging es Nesma B. schon nach kurzer Zeit erkennbar schlecht. Sie habe zunehmend unter Benommenheit, Gangunsicherheit, Verdauungsstörungen gelitten und nur noch lallend sprechen können. Das Herz, das Gehirn und die Nieren seien durch die hohe Natriumdosis geschädigt worden, sagt Silke van Sweringen. Als Nesma B. nicht mehr allein die Trinkflasche habe halten können, hätten die Angeklagten die Flasche zu ihrem Mund geführt und Nesma B. dabei an den Armen festgehalten. Bis zum 7. Dezember 2015 hätten es die Angeklagten abgelehnt, mit der Frau einen Arzt aufzusuchen.

Am Morgen des 7. Dezember nahm Nesma B. nach Angaben der Staatsanwältin erneut Wasser mit einer tödlichen Dosis Kochsalz zu sich. Die junge Frau verlor das Bewusstsein, sie erlitt einen Atem- und Kreislaufstillstand und verstarb trotz Reanimationsversuchen durch die nunmehr gerufenen Rettungskräfte gegen 16.30 Uhr in einem Krankenhaus.

Lungenarterienembolie und Hirnödem als Todesursache

Im Blutbild der Frau wurde eine so hohe Natriumkonzentration gefunden, dass eine Obduktion angeordnet wurde. Nesma B. war an einer beidseitigen Lungenarterienembolie und einem Hirnödem gestorben. Im Verfahren sollen die Angeklagten geschwiegen oder die Tat abgestritten haben.

Es ist unklar, ob der Prozess weitergeht. Ein Anwalt der angeklagten Schwiegermutter der getöteten Frau will, dass die Hauptverhandlung wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt wird. Er sagt, dass er krankheitsbedingt zur Risikogruppe gehöre. Der Verteidiger des Schwiegervaters sieht das ebenso. Er argumentiert, dass sein Mandant Asthma und erst vor zwei Jahren eine Krebserkrankung überstanden habe. Die Kammer will nun bis zum nächsten Verhandlungstermin in einer Woche eine Entscheidung über die Fortsetzung des Prozesses fällen.