So wurde die Berlinerin von Banditen gekidnappt
Ein Video zeigt, wie Männer einen Menschen in ein Auto zerren. Wurde die Kulturexpertin wegen ihres politischen Engagements zur Geisel genommen?

Die Entführung der gebürtigen Berlinerin Hella Mewis in Bagdad (KURIER berichtete) sorgt für internationale Spannungen zwischen Berlin, Bagdad und Teheran. Es verdichten sich Hinweise, dass die Kulturmanagerin die Geisel von gefährlichen Milizen wurde. Ein Überwachungsvideo soll zeigen, wie die Frau von mehreren Männern verschleppt wurde.
Es ist Montagabend auf einer Straße in Bagdad, nahe dem von Hella Mewis aufgebauten Kulturzentrum. Es ist bereits dunkel. Die verschwommenen Bilder einer Überwachungskamera zeigen, wie ein weißer Hyundai Starex neben einer geparkten schwarzen Limousine hält. Es steigen mehrere Personen aus dem hellen Van. Offiziell sollen es sieben Täter sein, die einen Radfahrer oder eine Radfahrerin überwältigen. Im Schutz der beiden Fahrzeuge scheinen die Männer etwas in den weißen Van zu hieven. Ob es sich dabei um die bekannte Kulturmanagerin handelt, ist nicht zu erkennen. Das unklare Geschehen dauert in etwa 50 Sekunden, dann fährt der Van weiter.
Das knapp einminütige Video wird auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von irakischen Journalisten geteilt. Die irakischen Behörden werten es derzeit aus, heißt es aus Sicherheitskreisen. Verwirrung gab es, weil darauf das Datum vom Dienstag zu sehen ist. Der irakische Journalist Omar Habeeb hat auf KURIER-Anfrage Zweifel an der Echtheit des Videos ausgeräumt. Er sagte, es handele sich nicht um den Zeitpunkt der Aufnahme, sondern um den Timecode, als die Sequenz auf der Videoüberwachungsanlage angeschaut und gesichert wurde. Brisant: Beamte einer nahe gelegenen Polizeistation sollen die Entführung beobachtet haben. Unternommen hätten sie allerdings nichts. Das Fehlverhalten werde derzeit untersucht.
Das Auswärtige Amt hat mittlerweile einen Krisenstab einberufen, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) mitteilte. Er wolle sich „mit Blick auf das Wohlbefinden der Betroffenen nicht näher zu dem Fall äußern“, sagte Maas. Es sei damit begonnen worden, sich „um den Fall zu kümmern und eine Lösung zu finden, bei der die betroffene Person und ihr Wohlbefinden gesichert" würden. Das irakische Innenministerium bildete nach Angaben eines Sprechers ebenfalls einen Sonderstab mit Geheimdienst- und Kriminalexperten, um dem Fall nachzugehen.
Doch warum wird eine Kulturvermittlerin entführt? Hella Mewis soll sie sich zuletzt zunehmend politisch engagiert haben. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte sie öffentlich die Milizen kritisiert. Junge Iraker hatten auf dem Tahrir-Platz in Bagdad gegen Korruption, Willkür der Milizen und den Einfluss Irans protestiert. In einer Mail schrieb sie von „Massenexekution“ und einem „Riesenblutbad“.

Außerdem trug sie fast nie ein Kopftuch. Sie initiierte Theaterinszenierungen über Frauenschicksale und veranstaltete Konzerte mitten in der Stadt. Mit ihrer nicht religiösen Kunst und ihrer Weltoffenheit verstieß sie offenbar gegen konservative islamische Werte. Die Kulturvermittlerin sei seit der Ermordung des irakischen Politikexperten Hisham al-Hashimi vor zwei Wochen besorgt gewesen, sagt Aktivistin Sirka Sarsam von der Nichtregierungsorganisation Burj Babel. Der international bekannte Al-Hashimi hatte sich mit den regierungskritischen Protesten des vergangenen Herbstes solidarisiert – so wie auch Hella Mewis.