Neuer Ankläger gegen Kriegsverbrecher
Der Brite Karim Khan übernimmt nun den Posten als Chefankläger des Weltstrafgerichts ICC.

Geduld, ein dickes Fell, Diplomatie und die Fähigkeit, einem zahnlosen Tiger Reißzähne einzusetzen: Das braucht der neue Chefankläger des Weltstrafgerichts ICC, das bei Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Aktion treten soll. Der Brite Karim Khan (50) wurde jetzt in New York von Vertretern der 123 Vertragsstaaten auf den wichtigsten Posten des Internationalen Strafgerichtshofes gewählt. Er löst Fatou Bensouda (60, Gambia) ab.
Khan leitet zurzeit im Auftrag der UN die Untersuchung nach Kriegsverbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und hat Erfahrung als Ankläger bei den UN-Tribunalen zu Ruanda und Ex-Jugoslawien. Er trat mehrfach als Verteidiger beim Weltstrafgericht auf. Es wird über ihn erzählt, er sei ein „beängstigend schlauer Meister-Stratege“.

Fatou Bensouda hatte in ihren neun Jahren als Chefanklägerin wenige Erfolge, die Verfahren dauern lange, es gab wenige Urteile – auch vor ihrer Zeit. In 18 Jahren der Existenz des ICC gab es nur 13 Urteile, davon neun Mal schuldig und vier Freisprüche. Vom neuen Ankläger wird erwartet, diese Bilanz zu verbessern.
Ein Problem ist mangelnde Unterstützung des Gerichts. Ein 2009 ergangener Haftbefehl gegen den früheren Staatschef des Sudans wegen Völkermordes in der Region Darfur ist bis heute nicht vollstreckt – Omar al-Baschir wird nicht ausgeliefert. Das Gleiche gilt für den Sohn des 2011 getöteten libyschen Diktators Muammar al-Ghaddafi, Saif (48).

Jahrelang musste sich die Anklage vorwerfen lassen, dass sie nur Verbrechen in Afrika verfolge, auf der Verfahrens- und Urteilsliste stehen ausschließlich Afrikaner – so wurde zuletzt der Ugander Dominic Ongwen, ein Kommandeur der Terrortruppe „Lord's Resistance Army “ wegen Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Das Urteil steht aus. Ahmad Al Faqi Al Mahdi wurde 2016 zu neun Jahren Haft verurteilt, weil er 2012 die Beschädigung und Zerstörung islamischer Heiligtümer in Timbuktu (Mali) befohlen hatte.
Die Ausrichtung könnte sich ändern: Bensouda hatte bereits begonnen, Kriegsverbrechen in Afghanistan zu untersuchen, und die Richter gaben gerade grünes Licht für Ermittlungen in Palästina. Damit aber wären Prozesse möglich etwa gegen US-Militärs und CIA-Mitarbeiter oder israelische Offiziere. Israel wehrt sich dagegen, wie die USA, Russland und China erkennt es das Gericht insgesamt nicht an. Die Staaten wollen ihre Bürger nicht in Den Haag angeklagt sehen.

Die Trump-Regierung verhängte gegen Bensouda sogar Sanktionen und ein Einreiseverbot. Das dürfte US-Präsident Joe Biden bei Khan nicht tun, doch Prozesse gegen US-Bürger wird auch er nicht hinnehmen.
Es gibt auch interne Probleme. Eine Expertenkommission hatte 2020 dem Gericht bescheinigt, bürokratisch, unbeweglich und ineffizient zu sein. Das Arbeitsklima für die rund 900 Mitarbeiter sei miserabel, es herrsche eine Kultur der Angst, der Diskriminierung, geprägt von autoritärem Führungsstil und möglicherweise sexueller Belästigung.