Messermann greift iranisches Protest-Camp in Berlin an – festgenommen!
Polizei nimmt 26-Jährigen fest, der Transparente und Schilder beschädigt hatte und mit einem Messer drohte, als ihn die Teilnehmer des Camps stellten

Ein 26-jähriger Mann hat in Berlin Exil-Iraner angegriffen, die seit knapp fünf Wochen mit einem Zeltlager für Frauenrechte und Demokratie in ihrem Heimatland demonstrieren. Der Täter hatte am Sonnabend gegen 23 Uhr Transparente und Schilder der Aktivisten zerstört, wie die Polizei mitteilte. Als diese ihn zur Rede stellten, habe er sie erst mit einer abgebrochenen Flasche und dann mit einem Messer bedroht.
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Schon vor rund zwei Wochen war vor der iranischen Botschaft in Dahlem eine Mahnwache von Unbekannten angegriffen worden. Bei der Auseinandersetzung zwischen den vier anwesenden Aktivisten und den vermummten Angreifern wurden drei Männer verletzt. Einer der Angreifer soll mit einer Pistole gedroht haben.
Polizei griff sich den Messer-Mann
Eine Streife des Abschnitts 56, die nach Angaben von Teilnehmern des Camps auf dem Platz vor dem Neuen Tor (Mitte) sehr schnell eingetroffen war, nahm den Mann fest und leitete ein Strafverfahren wegen Bedrohung mit einem Messer, Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz ein. Ein Messer wurde jedoch weder bei ihm noch in der Umgebung gefunden. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt.


Der Angreifer, ein deutscher Staatsbürger, wurde in der Gefangenensammelstelle erkennungsdienstlich behandelt und dann wieder auf freien Fuß gesetzt. Zum Motiv der Tat wurde offiziell zunächst nichts bekannt.
Angreifer in Begleitung eines zweiten Mannes und zweier Kopftuch-Trägerinnen
Die Polizei geht einem Sprecher zufolge inzwischen davon aus, dass lediglich der 26-Jährige für die Beschädigung und die Bedrohung verantwortlich ist. Ein Begleiter (20) sei als Zeuge vernommen worden, zwei Frauen, die mit den Männern unterwegs waren, sollen sich vor Eintreffen der Polizei entfernt haben. Möglicherweise, so wird im Camp erzählt, war einer der Männer bereits in der Nacht zuvor am Ort und habe Fotos gemacht. Das Messer hätten die geflüchteten Frauen mitgenommen, die beide gesichtsbedeckend mit Niqabs verschleiert gewesen wären.
Teilnehmer des Camps berichteten dem KURIER, sie hielten den Mann für einen Islamisten. Sie hätten gehört, er stamme ursprünglich nicht aus Deutschland und nicht aus einem Nachbarland des Iran. Iraner ist er jedenfalls nicht.
Laut der Gruppierung Feminista Berlin, die das Protestzeltlager vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen errichtet hatte, waren zum Zeitpunkt des Angriffs neun Aktivisten vor Ort. In dem Camp halten sich je nach Tageszeit zwischen einer Handvoll und um die zwanzig Menschen auf.

Neben einem Aufenthaltszelt gibt es dort einen mobilen Pavillon, in dem ein Fernsehgerät steht, und neun Iglu-Zelte. In einigen übernachten Teilnehmer, in anderen befinden sich Nahrungsmittel. Ein kleiner Benzingenerator liefert Strom. An einer Holztafel sind Fotos von Opfern des iranischen Staatsterrors angebracht, an zwei Stellen wehen Haare im Wind, die sich Iranerinnen als Zeichen der Solidarität mit ihren Landsleuten abgeschnitten haben.
Frauen stehen an der Spitze des Aufstands gegen das Mullah-Regime
Alles findet unter der Parole „Frau, Leben, Freiheit“ statt, weil vor allem Frauen gegen das Regime alter Geistlicher und ihrer mächtigen „Revolutionsgarden“ aufgestanden sind und Opfer bringen.
Eine iranische Studentin, die den Angriff beobachtete, berichtete, dass sie keine Angst gehabt habe: „Das hier ist nichts gegen die Situation im Iran, wo unsere Freunde gefoltert und Teenager erschossen werden.“
Die Iraner fordern mit ihrem Protestcamp die Partei von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf, den Iran politisch zu isolieren und die von Baerbock angekündigte feministische Außenpolitik umzusetzen. Ein Iraner aus dem Camp sagte dem KURIER, man werde so lange bleiben, bis die Revolution im Iran siegreich war.

Im Iran protestieren seit Mitte September Menschen gegen die Regierung und das islamische Herrschaftssystem. Auslöser war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie war gestorben, als sie wegen eines angeblich nicht züchtig genug getragenen Kopftuchs in der iranischen Hauptstadt Teheran in der Hand der Sittenpolizei war. Die iranischen Stellen behaupteten, sie sei einem Schlaganfall und einem Herzinfarkt erlegen, laut Mitteilungen in den sozialen Medien war ihr auf den Kopf geprügelt worden.
Mindestens 330 Tote in den letzten beiden Monaten im Iran
Bei den seit rund zwei Monaten laufenden Protesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtlern mindestens 330 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien auch 50 Minderjährige und 39 Sicherheitskräfte, berichtete die in den USA ansässige Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) . Fast 15.000 Menschen seien zudem festgenommen worden. Die Proteste erfassten seit ihrem Beginn Mitte September demnach mehr als 130 Städte im Land. Laut Human Rights Watch plant das Mullah-Regime Schauprozesse und Massenhinrichtungen, um die Revolution zu ersticken.

Unterdessen gibt es heftigen Streit zwischen Berlin und Teheran, nachdem sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deutlich zum brutalen Vorgehen der Islamischen Republik Iran geäußert hatte. „Die Bemerkungen des deutschen Kanzlers waren provokativ, einmischend und undiplomatisch“, erklärte Irans Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Sonntag. Eine historische Beziehung zu sabotieren, könnte nach Kanaanis Worten „langfristige Schäden“ anrichten, daher sollte Berlin gegenüber dem Iran verantwortungsbewusster und achtungsvoller vorgehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte Teherans Machthaber scharf
Scholz hatte die iranische Führung angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Land scharf kritisiert. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt? Wer so handelt, muss mit unserem Widerstand rechnen“, hatte er in seinem am Sonnabend veröffentlichten Videopodcast gesagt.