Sexueller Missbrauch : Mädchen in Potsdamer Möbelhaus entführt - Acht Jahre Haft für 59-Jährigen
22 Stunden war ein kleines Mädchen aus Potsdam verschwunden. Dann tauchte es wieder auf - weinend und verletzt. Schnell führte die Spur zu einem 59-Jährigen. Das Gericht hat am Mittwoch sein ein Urteil verkündet.

Für den sexuellen Missbrauch und die Entführung eines kleinen Mädchens ist ein 59-Jähriger vom Landgericht Potsdam zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Davon soll er zwei Jahre in einer Entziehungsanstalt verbringen, wie ein Gerichtssprecher am Mittwoch sagte. Zum Schutz des Kindes hatte das Gericht die Öffentlichkeit für die Verkündung der Urteilsgründe von der Verhandlung ausgeschlossen.
Das Gericht verurteilte den Mann wegen besonders schweren sexuellen Missbrauchs, besonders schwerer Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, der Entziehung Minderjähriger sowie wegen Körperverletzung. Die verminderte Schuldfähigkeit wegen der starken Alkoholsucht des Angeklagten floss nach Angaben des Gerichtssprechers in das Urteil ein. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.
Die Familie des heute siebenjährigen Mädchens habe die Entscheidung des Gerichts mit Erleichterung aufgefasst, sagte die Anwältin Familie, Manuela Krahl-Röhnisch, am Mittwoch. Sie könne den Prozess nun aufarbeiten und wieder in ein normales Leben zurückfinden. Gleichzeitig hoffe die Familie auch, dass der Täter seine Chance nutze, einen Entzug zu machen. Die Anwältin bewertete das Urteil als «tat- und schuldangemessen.»
Nach 22 Stunden tauchte das Kind weinend und verletzt wieder auf
Am 25. Mai 2019 war das Mädchen mit seiner Familie in einem Potsdamer Möbelhaus einkaufen. Dann stieg es alleine in den Aufzug. Der Vater verlor es aus den Augen. 22 Stunden lang war das Kind verschwunden. Die Polizei suchte mit einem Großaufgebot. Am 26. Mai tauchte das Mädchen wieder auf - weinend und verletzt auf einem Gehweg. Das Mädchen führte die Ermittler zur Wohnung des Angeklagten, die in der Nähe des Möbelhauses liegt. Noch am selben Tag wurde der Mann festgenommen.
Im Prozess hatte er gestanden, das Mädchen entführt, mit in seine Wohnung genommen und sich dort sexuell an ihr vergangen zu haben. Er erzählte von Stimmen und Schatten, die er gehört und gesehen haben will. Der 59-Jährige verließ seine Wohnung häufig nur, wenn der Alkoholvorrat fast aufgebraucht war. Dann besorgte er sich Nachschub in einem nahe gelegenen Supermarkt.
Als ihn der Vorsitzende Richter nach Beziehungen in seinem Leben gefragt hatte, antwortete der 59-Jährige: «Meine beste Freundin ist - wie der Volksmund sagt - der Alkohol.» Mehrmals habe er versucht, von seiner Sucht loszukommen, Therapien blieben aber erfolglos. Auf seinem Weg zwischen Supermarkt und Wohnung war es auch, als er am 25. Mai 2019 auf sein Opfer traf.
Im Prozess gaben mehrere Zeugen an, das Mädchen mit asiatischem Aussehen und den 59-Jährigen an verschiedenen Stellen gesehen zu haben - es sind Etappen seines Nachhauseweges. Eine Nachbarin sah, wie die beiden gemeinsam in die Wohnung gingen und zusammen in der Küche waren.
Auch das Mädchen hatte das Gericht gehört. Sie sei aus Angst vor dem Angeklagten mit in dessen Wohnung gegangen, sagte sie nach Angaben von Anwältin Krahl-Röhnisch. Ihre Vernehmung fand zu ihrem Schutz in einem Nebenzimmer des Gerichtssaals statt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wie die Anwältin sagte, sei die Siebenjährige damals auf dem Weg nach Hause gewesen, nachdem sie sich von ihrer Familie in dem Potsdamer Möbelhaus getrennt hatte.
Von dem Möbelhaus ist es nur ein kurzer Weg bis zur Wohnung der Familie, in deren unmittelbarer Nachbarschaft auch der Angeklagte bis zu seiner Festnahme am 26. Mai 2019 wohnte. Der 59-Jährige soll dem Mädchen versprochen haben, es nach Hause zu bringen, deshalb sei es mitgegangen. Als es nicht mehr wollte, habe er auf sein Messer gezeigt - ein kleines Messer, das er an einem Karabinerhaken befestigt an seiner Hose trug.
Kurz vor dem Ende der Beweisaufnahme vergangene Woche wurde im Gericht ein 30 Seiten langes Gutachten verlesen. Es bestätigt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Bei dem Angeklagten wurden DNA-Spuren des Kindes gefunden.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer acht Jahre Haft gefordert und beantragt, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. Die Verteidigung forderte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie ebenfalls die Unterbringung.
Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung gingen wegen der schweren Alkoholkrankheit von verminderter Schuldfähigkeit aus. Die Nebenklage hatte sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Der Familie des Mädchens ginge es nicht um ein besonders hohen Strafmaß, hatte Rechtsanwältin Krahl-Röhnisch nach dem Plädoyer vergangene Woche gesagt, sondern vielmehr darum, dass das Verfahren fair ablaufe und «der Angeklagte von der Straße kommt».