Tomasz S. steht wegen Mordes vor Gericht. Er soll seiner kleinen Tochter die Kehle durchgeschnitten haben. 
Tomasz S. steht wegen Mordes vor Gericht. Er soll seiner kleinen Tochter die Kehle durchgeschnitten haben.  Olaf Wagner

Ewa J. wischt sich an diesem Dienstag immer wieder die Tränen aus dem Gesicht. Sie habe das Alles eigentlich nicht noch einmal erzählen wollen, sagt die 55-Jährige vor der Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts. Keine drei Meter von ihr entfernt sitzt ihr Sohn Tomasz. Der 31-Jährige muss sich wegen Mordes verantworten. Er soll vor sieben Monaten seine drei Jahre alte Tochter Nikola heimtückisch, grausam und aus niedrigen Beweggründen umgebracht haben. Mit der Tat, so die Anklage, habe er seine Frau bestrafen wollen, die sich „nach Gewaltvorfällen“ von ihm trennen wollte.

Der mutmaßliche Mord geschah am 4. November in der Wohnung von Ewa J. in der Köpenicker Landstraße im Treptower Ortsteil Plänterwald. Ewa J., die nun als Zeugin aussagt, hatte ihre tote Enkelin gefunden, mit durchgeschnittener Kehle. „Ich habe zwei Kinder verloren. Meine Enkeltochter und meinen Sohn“, sagt sie nun mit stockender Stimme. Nikola, so erzählt sie, sei ihr Schatz gewesen, das allerliebste Kind der Welt, ein lebhaftes Mädchen, das immer gelächelt habe und lustig gewesen sei. Das kleine Mädchen habe Musik geliebt und gerne getanzt.

Während Ewa J. spricht, sitzt ihr Sohn tief gebeugt und den Kopf noch tiefer gesenkt auf der Anklagebank. Ihr Sohn und seine Frau hätten sich oft gestritten, erzählt Ewa J. Jolanta S. habe ihn ausgenutzt, immer nur Geld von ihm gewollt. Ihr Sohn hingegen, den sie Tomek nennt, sei sehr eifersüchtig gewesen.

Ihr Sohn habe zu einem Messer gegriffen und gedroht, er werde sie umbringen

Zwei Tage vor der Tat, Sohn, Schwiegertochter und die Enkelin wohnten für ein paar Tage bei Ewa J., habe es einen heftigen Streit zwischen den Eheleuten gegeben. Ihr Sohn habe zu einem Messer gegriffen und gedroht, er werde sie umbringen. Sie habe ihm das Messer abnehmen können. „Ich wusste doch, dass er nichts macht“, sagt Ewa J. wenig überzeugend. Denn sie selbst war es, die danach alle Messer und die Schere versteckte.

Am 4. November sei sie zur Arbeit in einer Druckerei gefahren, berichtet Nikolas Großmutter. Die Ehefrau sei an dem Tag nach Schwedt gefahren, um etwas bei der Sparkasse zu regeln. Die kleine Familie hatte nach Angaben des Angeklagten vor, nach Polen zurückzuziehen. Doch an jenem Mittwoch schickte Jolanta S. ihrem Mann eine Nachricht, dass sie nicht wiederkommen und das Kind zu sich holen werde. Sie hatte sich bereits eine neue Wohnung besorgt.

Die Zeugin erinnert sich, dass sie um 14.50 Uhr einen Anruf ihres Sohnes auf Arbeit erhalten habe. Darin teilte er ihr mit, dass seine Frau die Sachen gepackt und sich von ihm getrennt habe. „Ich werde mich erhängen, ich werde etwas Böses tun und Fotos schicken“, soll Tomasz S. seiner Mutter mitgeteilt haben. „Ich habe noch gesagt, er solle jetzt nicht Dummes machen“, berichtet die Zeugin. Sie habe sich sofort frei genommen.

Zwei kurze Videofilme zeigen Todeskampf des Kindes

Ewa J. fuhr nachhause. Sie benötigt für den Weg 45 Minuten. Eine SMS ihres Sohnes, dass er und seine Tochter im Park seien, habe sie beruhigt, sagt sie. So sehr, dass sie noch bei der Nachbarin vorbeigeschaut und eine Zigarette geraucht habe. In ihrer Wohnung sei alles ruhig gewesen, erinnert sich Nikolas Großmutter. Im Schlafzimmer habe ihre Enkelin auf dem Bett gelegen. Sie habe Nikola am Fuß berührt, ihr gesagt, sie solle aufwachen, die Oma sei gekommen. Dann habe sie das Kind in den Arm genommen und geschrien. Auf die Frage, wer schuld sei am Tod des kleinen Mädchen, antwortet Ewa J.: „Beide“. Sie meint ihren Sohn und auch die Schwiegertochter.

Tomasz S. hatte sich nach der Tat bei der Bundespolizei in der Schnellerstraße gestellt und etwas von einem Überfall arabischstämmiger Männer erzählt. Doch schon bald wurde der Autopolierer als Tatverdächtiger festgenommen. Auf seinem Handy fanden die Ermittler zwei 15 und 19 Sekunden lange Videos, die das schwer verletzte und schon sehr benommene Kind zeigten. Die Filme hatte er bereits bei WhatsApp hochgeladen, um sie seiner Frau zu schicken. Erst im Prozess hatte Tomasz S. die Tat gestanden.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Dann wird die Mutter des getöteten Kindes als Zeugin erwartet.