Vor vier Jahren starb Michael Warshitsky

Ist auch Kudamm-Raser Marvin N. (28) ein Mörder?

Das Landgericht muss erneut darüber entscheiden, wie der zweiter Täter bestraft wird. Der Bundesgerichtshof hat die beiden ersten Mord-Urteile gegen den heute 28-Jährigen verworfen. 

Teilen
Am Morgen nach dem schrecklichen Unfall: Auf dem Tauentzien liegen Fahrzeugtrümmer und ein Schuh des Opfers.
Am Morgen nach dem schrecklichen Unfall: Auf dem Tauentzien liegen Fahrzeugtrümmer und ein Schuh des Opfers.Pressefoto

Der PS-Protzer hielt sich für den perfekten Fahrer, sein Auto war sein Statussymbol: Marvin N. (28), einer der beiden Ku’damm-Raser, die sich ein tödliches Rennen lieferten, steht erneut vor Gericht.

Der Fall, der ganz Deutschland entsetzte: Ein Jeep kreuzte am 1. Februar 2016 ein illegales Autorennen auf dem Kurfürstendamm, wurde gerammt. Fahrer Michael Warshitsky (69) starb im Auto.

Sind beide Raser Mörder? Seit Jahren wird juristisch in dem Fall gestritten. Ein Verfahren, das Rechtsgeschichte schrieb: Erstmals in Deutschland entschied das Landgericht 2017 in einem Raser-Fall auf Mord - lebenslange Haft für beide Angeklagte.

Marvin N. (28) steht zum dritten Mal wegen Mordes vor Gericht.
Marvin N. (28) steht zum dritten Mal wegen Mordes vor Gericht.Pressefoto Wagner

Das Paukenschlag-Urteil ging jedoch zum Bundesgerichtshof (BGH), wurde aufgehoben, kam erneut zum Landgericht. Ein Prozess-Anlauf scheiterte. Dann der nächste: Wieder wurden Hamdi H. und Marvin N., zur Tatzeit 26 und 24 Jahre alt, wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt. Wieder musste der BGH entscheiden. Der Schuldspruch für Hamdi H. wurde im Juni 2020 bestätigt, der gegen N. aufgehoben. Die Bundesrichter sahen eine Mittäterschaft nicht belegt.

Mit bis zu 170 Kilometern in der Stunde bretterten sie über den Ku’damm. Über zwanzig Querstraßen und elf Ampeln hinweg. Hamdi H. im Audi A6 TDI mit 225 PS gegen Marvin N. im Mercedes AMG mit etwa 330 PS. Bis zum Horror-Crash auf der Tauentzienstraße.

Michael Warshitsky rollte bei Grün auf die Kreuzung. Der Audi rammte den Geländewagen. Der Jeep wurde auf der Fahrerseite quasi durchstoßen, 70 Meter weit geschleudert. Der Arzt im Ruhestand hatte keine Chance.

Sie hatten sich kurz zuvor zufällig an einer roten Ampel getroffen. Ein kurzer Blickkontakt. Zwei Männer, mit Raser-Ego. Sie vergötterten ihre hochmotorisierten Autos, die sie sich nicht leisten können. „Für den Kick gaben sie Gas“, so ein Richter in einem früheren Prozess. „Die Fahrzeuge wurden zu Projektilen mit unglaublicher Zerstörungskraft.“

Die Kernfrage: Nahm auch Marvin N. tödliche Folgen billigend in Kauf? Gewinnen um jeden Preis? Bei H. sahen die Bundesrichter einen bedingten Vorsatz. Im jetzigen Prozess gegen N. ist alles offen. Der Richter: „Es gibt eine große Bandbreite an möglichen Ausgängen.“

Muskel-Mann N., seit März 2016 in U-Haft, hörte nun zum dritten Mal die Anklage. Er will sich am dritten Prozesstag äußern. Im November soll H., der lebenslang verbüßt, als Zeuge befragt werden. Fortsetzung: Donnerstag. KE.