Prozess um rechten Terror beginnt

Der Attentäter von Halle kommt vor Gericht

Stephan B. (28) versuchte, in die Synagoge der Stadt einzudringen und erschoss zwei Menschen.

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Stephan B., der Attentäter von Halle, wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.
Stephan B., der Attentäter von Halle, wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.dpa/Uli Deck

Er wollte Juden töten, so viele wie möglich. Stephan B. (28) beging am 9. Oktober 2019 den rechtsextremen Terroranschlag von Halle. Nun muss er sich ab Dienstag in Magdeburg vor Gericht verantworten – wegen 68-fachen Mordversuchs und zweifachen Mordes. Was trieb den Mann, der so stolz auf seine weiße Haut ist und Frauen hasst?

Das Dokument des Schreckens, das tiefe Einblicke in die Seele des Täters gibt, hat er selbst erstellt. Stephan B. filmte sich vor und während der Tat. Er trug eine Handykamera an seinem Bundeswehrhelm, gab Kommentare ab und streamte alles auf einer Gamer-Plattform. „Niemand rechnet mit der Internet-SS“, ist eine seiner verstörenden Bemerkungen. Für alle Probleme der Welt hatte der Attentäter einen Schuldigen ausgemacht. Es sei – „der Jude“.   

Noch am Morgen vor seinem Anschlag auf die Synagoge von Halle hatte B. mit seiner Mutter, einer Lehrerin, gefrühstückt. Die beiden lebten seit 2006 in einem Neubau in Benndorf bei Eisleben. In der Wohnung hatte der Attentäter „sein Reich“, wie die Mutter es nennt. Ein Zimmer, in dem er allein herumsaß und im Internet surfte. Auf den Festplatten fand die Polizei später Nazi-Propaganda, Hitler-Bilder und ein PDF-Dokument von „Mein Kampf“.

Angriff am höchsten jüdischen Feiertag

Angesichts dieses Weltbilds war es kein Zufall, dass Stephan B. den höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, für seinen Anschlag auswählte. Schwer bewaffnet versuchte der Attentäter, in die Synagoge von Halle einzudringen. Nur die fest verrammelte Eingangstür verhinderte, dass er seinen Plan verwirklichen konnte, die Gläubigen zu töten. Aus Frust über sein Scheitern erschoss B. eine Passantin und später, in einem Döner-Imbiss, einen Kunden.  

Seit dem Tag des Anschlags sitzt Stephan B. in Untersuchungshaft. Die Polizei hatte ihn in Werschen bei Zeitz, rund 60 Kilometer von Halle entfernt, festnehmen können. In den Vernehmungen bekannte sich der Attentäter offen zu seiner rechten Weltsicht. Die „Millionen Ausländer“ in Deutschland würden sich deutsche Frauen schnappen, weshalb weiße Männer wie er keine abbekämen. Es heißt, B. habe nie eine Freundin gehabt und verachte Frauen.

Am Dienstag beginnt nun in Magdeburg der Prozess gegen den Attentäter. Vorgeworfen werden ihm zweifacher Mord, 68-facher Mordversuch, Volksverhetzung und weitere Vergehen. Für den Prozess sind 18 Verhandlungstage angesetzt. Verteidiger Hans-Dieter Weber beschreibt seinen Mandanten als intelligent, wortgewandt, aber sozial isoliert. Auslöser für die Tat sei gewesen, dass er andere Menschen für eigene Probleme verantwortlich mache.

Schockierendes Internet-Manifest

Noch offen ist, ob sich Stephan B. im Prozess selbst erklären will. Seine Gedanken hatte er schon kurz vor der Tat in einem elfseitigen Internet-Manifest dargelegt. Gegenüber Beamten wiederholte er seine Verschwörungstheorien – über die angeblichen Machenschaften des jüdischen Milliardärs George Soros, über die US-Notenbank und die EU. Für Terrorexperten verkörpert B. den Typus des „lone wolf“– des einsamen, radikalisierten Einzeltäters.  

Im Prozess wird man mehr über die Biografie des Attentäters erfahren. Bekannt ist, dass er ein Chemie-Studium abbrach und sich bei der Bundeswehr als Scharfschütze beworben haben soll. Zuletzt ging B. keiner Ausbildung und keiner Arbeit nach. Über sich selbst sagte er im Internet-Livevideo seiner Tat: „I am a complete loser“ – ich bin ein totaler Verlierer. Es war der Moment, als ihm klar geworden war, dass die Synagogen-Tür seinem Angriff standhält.