Clan-Kriminalität: Berliner Polizei schrieb Tausende Anzeigen
Bei 400 Einsätzen wurden knapp 35.000 Euro aus Drogengeschäften, rund 970 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel, mehr als 30.000 unversteuerte Zigaretten und 550 Kilo unversteuerter Wasserpfeifentabak beschlagnahmt.

Sie stehlen, schlagen, rauben, dealen. Ganze Straßenzüge sind mittlerweile unter der Kontrolle krimineller Großfamilien. Die Berliner Sicherheitsbehörden haben den nahezu undurchdringlichen Strukturen den Kampf angesagt: seit einem Jahr gehen Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll und Ordnungsämter massiv gegen ihnen bekannte Clans und deren Geschäfte vor. Am Montag wurde eine Bilanz dazu veröffentlicht, die vergleichsweise mager wirkt. Bittere Ironie: Nur wenige Stunden vor der Veröffentlichung kam es zwischen zwei verfeindeten Clans zu einer Messerstecherei, eine Person musste anschließend notoperiert werden.
Gegen 22.15 Uhr wurden Polizeikräfte in eine Wohnung in der Graefestraße gerufen. Hier fanden sie laut einer Polizeisprecherin „einen Verletzten auf dem Bauch liegend im Wohnzimmer vor“, der eine „Schnittwunde am Rücken“ hatte. In der Wohnung sowie vor dem Haus hielten sich etwa „25 bis 30 Personen auf, die offenbar gemeinsam an einer Feier teilgenommen hatten“. An dieser Feier sollen nach KURIER-Informationen zuvor Mitglieder zweier Großfamilien teilgenommen haben, bis es dann zur der blutigen Streiterei kam. Die Hintergründe sind unklar, die Personen vor Ort waren dem Vernehmen nach äußerst wortkarg.
1000 Strafanzeigen und 550 Kilo beschlagnahmter Wasserpfeifentabak
Der aktuelle Fall zeigt einmal mehr, wie schwierig Ermittlungen im Clan-Milieu sind. So rückten die Behörden im letzten Jahr zu fast 400 Einsätzen aus. Dabei wurden mehr als 700 Objekte kontrolliert, darunter mehr als 300 Cafés und Bars, fast 200 Shisha-Bars sowie Wettbüros, Spielstätten, Barber-Shops und Juweliere, heißt es in dem am Montag von der Senatsinnenverwaltung veröffentlichten Bericht. Bei den Einsätzen sei demnach „eine Vielzahl von Rechtsverstößen“ festgestellt worden, fast 1000 Strafanzeigen und mehr als 5900 Anzeigen zu Ordnungswidrigkeiten wurden gefertigt. Beschlagnahmt wurden allerdings „nur“ knapp 35.000 Euro aus Drogengeschäften, rund 970 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel, etwas mehr als 30.000 unversteuerte Zigaretten und rund 550 Kilo unversteuerter Wasserpfeifentabak. Weiterhin beschlagnahmten die Behörden 123 Autos und Motorräder sowie 104 Waffen.
Angesichts der Vielzahl von Verbrechen, die den zwölf bekannten Großfamilien zugeordnet werden, ein „bescheidenes Ergebnis“, heißt es in Polizeikreisen hinter vorgehaltener Hand. Innensenator Andreas Geisel (SPD) betonte am Montag dennoch, 2019 sei der Druck auf Kriminelle aus Clans deutlich erhöht worden. In dem Bereich habe sich eine Parallelwelt mit eigenem Kodex und der Ablehnung des geltenden Rechts entwickelt. Die Regeln des Rechtsstaates würden aber „ausnahmslos für alle“ gelten. Das habe sich auch in der Corona-Pandemie nicht geändert. Gegen Verdächtige aus dem Clanmilieu, die Soforthilfen erschleichen wollten, seien Ermittlungen eingeleitet worden.
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Polizeigewerkschaft: Bericht der Senatsinnenverwaltung sagt nichts über juristische Folgen aus
Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte weiterhin, die Verschmelzung von gewerblichen Strukturen und Kriminalität sei deutlich erkennbar. Der Handel mit unversteuertem Shisha-Tabak mit hohen Gewinnmargen sowie die Legalisierung von kriminell erworbenen Vermögens wie etwa Immobilien machten deutlich, dass solchen kriminellen Strukturen weiter bekämpft werden müssten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach zwar „von einer guten ersten Stadionrunde bei dem zu bewältigenden Marathon". Der Bericht zeige aber leider auch, dass die ergriffenen Maßnahmen wie eine einheitliche Organisation der Behörden zur effizienteren Clan-Bekämpfung „Zeit brauchen, bis sie greifen“.
Keine Aussage ermöglicht der Bericht nach den Worten des GdP-Landesvorsitzenden Norbert Cioma zu juristischen Folgen. „Wie die Polizeiliche Kriminalstatistik ist es in erster Linie ein Tätigkeitsbericht.“ Er stelle zudem nur „einen geringen Auszug der kriminellen Machenschaften“ dar. Man sehe, „dass besagte ethnisch abgeschottete Subkulturen in so ziemlich allen Betätigungsfeldern unterwegs sind, sie unseren Rechtsstaat vielfach missachten und Waffen besitzen“. Cioma betonte zudem, dass „jedem bewusst sein sollte, dass wir hier über kriminelle Machenschaften reden, in denen Milliarden Euro erwirtschaftet werden“. Der Kampf gegen die Clans hat also gerade erst begonnen.