Zusammenhalten im Osten: Wie ich als Stadtkind das Leben auf dem Land in der DDR erlebte
Eine neue Foto-Ausstellung in Cottbus erzählt in Bildern von Festen in Dorfkneipen und LPG-Arbeit auf dem Feld. Vor allem aber erzählt sie von einer Gemeinschaft, die mit der Wende großen Veränderungen gegenüberstand.

Wer als Städter einmal in das Landleben in der DDR eintauchen durfte, vergisst das nie wieder. Nicht die Männer in blauen Kitteln oder Karohemden, die immer irgendetwas zu reparieren oder heranzuschaffen hatten. Nicht die Frauen mit Kopftüchern und Schürzen, die von Mahlzeit zu Mahlzeit planten und werkelten. Immer war da jemand, der unangemeldet vorbei kam. Auf dem Land, da ging es anders zu als bei uns in Berlin. Zusammener irgendwie.
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Eine ganz eigene Welt tat sich etwa einmal auf, als ich einmal meine Großmutter als Kind zu den LPG-Frauen im Trockenwerk begleiten durfte. Da wurden Gewürze in Papiertütchen abgefüllt und die Frauen erzählten und lachten während der Arbeit in einer Tour. Ein anderes Mal wurden wir, es muss in den großem Sommerferien gewesen sein, mit einem Lastwagen, der Bänke auf der Ladefläche hatte, auf einen Acker gefahren. Ich weiß nicht mehr, was wir dort eigentlich vorhatten, aber das Gefühl, dass die Arbeiterinnen mit den starken Händen eine ganz besondere Truppe waren, das hat sich bis heute eingeprägt. Dorfleben – das hieß vor der Wende – Alltag zusammen erleben.
Ausstellung: Dorfleben in der DDR und nach der Wende
Auf einigen Fotografien, die noch bis Ende Mai im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus ausgestellt werden, ist von diesem Zusammengehören einiges zu sehen. Sei es bei den Männern mit strammen Waden nach dem Fußballspiel auf der Wiese oder bei den Älteren in großer Runde in der Dorfkneipe. „Leute aus Berka“, heißt eine der Fotografien in der Ausstellung. Und eigentlich könnte man den Namen jedes noch so kleinen beliebigen Dorfes zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen einfügen. Die Werke, die im Landesmuseum Cottbus gezeigt werden, widerspiegeln eine Welt, die es so nicht mehr gibt. Und sie spiegeln einen Übergang.

Wie vereinzelt fühle ich mich heute manchmal angesichts vergangener Feste und Sausen, bei denen wir Kinder bis spät abends auf den Tanzböden der Dorfkneipen zwischen den Erwachsenen herum wuselten, während die von Bier zu Schnaps wechselten und ihre Frauen von Sekt zu Likör.
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Kinder, wie die Zeit vergeht - das sieht man auch auf den Bildern. Ende der 1980er Jahre hat die junge Frau beim Kartoffeln sortieren schon so etwas wie Aufruhr in den Augen. Die Langeweile einer sterbenden Utopie ist greifbar. In zwei Jahren wird die DDR Geschichte sein.

Die Wende kommt und mit ihr die Dartscheibe im Gemeinschaftsraum des Kombinats, noch halten sie ein bisschen, die Gemeinschaften. Doch schon bald werden die Jungen der Arbeit hinterher ziehen. Was bleibt sind neue West-Artikel gestapelt in alten Schränken und nicht selten nur noch die Alten in den Dörfern.

Von der lebedigen Gemeinschaft über Landflucht in den Westen und zurückgebliebene Alte spannt die Ausstellung den Bogen von den 1970ern bis heute. Gesellschaftliche Umbrüche zeigen sich. Und auch wenn sich die Tradition der Großfamilie auf dem Land auflöste, heute kommen sie ja wieder, die Jungen und knüpfen an Vergangenes an, schreiben die Geschichte fort.
Die Sammlung an Fotografien am heutigen Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst wurde bereits 1979 angelegt und sie zählt quantitativ wie auch qualitativ zu den umfangreichsten Sammlungen der Autoren- und Autorinnenfotografie in Ostdeutschland, heißt es in einer Publikation zur Ausstellung. Die Herausforderungen des Strukturwandels in Ostdeutschland behutsam begleiten, dazu fordern die Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart auf. Und dazu, auch in Zukunft mit liebevollen, genauen, kritischen und geduldigen Blicken auf ostdeutsche Landstriche und ihre Bewohner zu schauen.
Ausstellung Dorfleben. Fotografien seit den 1970er-Jahren bis heute 12.3. - 29.5.22 | CB Dieselkraftwerk
Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst | Cottbus | Frankfurt (Oder) Dienstag Sonntag 11 bis 19 Uhr Dieselkraftwerk | Uferstraße/Am Amtsteich 15, 03046 Cottbus
Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Berlins Kieze und den Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com