Wie kommen bloß die Möwen an den Alexanderplatz? DARUM ist unser Alex der Hotspot der Küsten-Vögel!
Haben Sie schon bemerkt, dass im Herzen Berlins immer mehr Möwen leben? Aber: Woran liegt es eigentlich? Und warum helfen die Vögel unserer Stadt sogar? Die Antworten.

Ich schreibe seit Jahren über Tiere und beschäftige mich intensiv mit ihnen. Ich lerne viel über sie, auch Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt wissen muss. Ich meine: Wussten Sie, dass Schweine nicht schwitzen können, dass Mäuse in der Lage sind, Rot- und Weißwein am Geruch zu unterscheiden – und dass es 1000 Glühwürmchen braucht, um die Helligkeit einer Kerzenflamme zu imitieren? Manchmal tauchen aber auch Fragen auf, die ich nicht beantworten kann.
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Wie neulich: Mit einer Freundin unterhielt ich mich über den Wandel Berlins, als sie plötzlich fragte: Wo kommen eigentlich die Möwen am Alexanderplatz her? Ich war baff. Ja, auch mir war schon in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass im Herzen Berlins nicht mehr nur Tauben, sondern auch viele der Küstenvögel unterwegs sind. Aber: Wie gelangten sie hierher – und warum ist ausgerechnet der Alexanderplatz der „place to be“ für Möwen?
Antworten darauf haben Tier-Experten – etwa beim Naturschutzbund NABU. Die Entwicklung des Möwen-Bestandes sei in den letzten Jahren sehr positiv, bestätigt Sprecherin Janna Einöder. „Im Jahr 2020 sind wir noch von 50 Brutpaaren ausgegangen, in diesem Jahr dürften es rund 100 sein. Das ist wirklich ein deutlicher Anstieg.“ Tatsächlich sei, so erklärt sie mir, die größte Möwen-Kolonie am Alexanderplatz. Denn hier – so die einfache Begründung – finden die Vögel alles, was sie brauchen.

„Denen geht es gut, weil sie auf den Flach- und Tiefdächern der Gebäude gut brüten können. Außerdem gibt es nur wenige andere Vögel, die den Lebensraum beanspruchen“, sagt Einöder. „Und es ist mit der Spree Wasser in der Nähe.“ Außerdem finden sie hier reichlich Futter – leider vor allem Döner- und Pommesreste. Was nicht gut ist, denn: Möwen sind eine Art Gesundheitspolizei für Berlins Gewässer! „Sie fressen beispielsweise tote Fische, die an Ufern liegen, das hält die Seen sauber“, erklärt die Tier-Expertin. Füttern sollte man die Vögel deshalb nicht. Denn wer satt ist, kann nichts für die Sauberkeit unserer Gewässer tun.
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Dass es den Tieren am Alexanderplatz gut geht, zeigt auch, dass sie an Berlins belebtestem Platz für Nachwuchs sorgen. Erst im Juli fanden Passanten eine einsame junge Silbermöwe. Weil sie noch nicht fliegen konnte, brachten Polizisten sie in die Tierklinik der Berliner FU. Auch zu solchen Fällen kommt es immer häufiger, heißt es beim NABU.
Möwen am Alex: Nicht allen Jungtieren gelingen die ersten Flugversuche
Denn: Nicht allen Jungtieren gelingt es bei den ersten Flugversuchen, sich auch wirklich in die Lüfte zu schwingen. Wenn sie unsanft auf dem Boden landen, brauchen sie oft Hilfe – in solchen Fällen unterstützt die NABU-Wildvogelstation (Tel. 03054712892). Der kleinen Silbermöwe geht es übrigens wieder gut. „Sie ist zurück am Alex – und jetzt hoffentlich besser im Fliegen“, sagt Einöder.

Aber: Wo kommen sie nun eigentlich her, die vielen Möwen? Das ist noch nicht vollends geklärt. Vielleicht strandete irgendwann ein Pärchen hier – wahrscheinlicher ist aber, dass sich die Vögel auf die Suche nach einer neuen Heimat machten, weil sich etwa die Fischerei an der Ostsee stark veränderte.
„Da es immer weniger Beifang gibt, mussten sich die Tiere einen neuen Lebensraum suchen“, sagt Janna Einöder. In manchen Küsten-Orten wurden sie aber auch so aggressiv, dass sie inzwischen geübt darin sind, Touristen ganze Fischbrötchen aus der Hand zu klauen. Noch ein Grund, die Berliner Möwen besser nicht zu füttern – damit sie nicht genauso werden wie ihre Verwandten an der See.
Florian Thalmann schreibt jeden Mittwoch im KURIER über Tiere.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com