Umweltplakette: Wie eine Politesse einen Berliner Autobesitzer schier um den Verstand brachte
Unsere Autorin hat eine abenteuerliche Geschichte über die Berliner Bußgeldstelle gehört.

In Berlin kann man sich über viele Dinge ärgern. Schlechtes Wetter (zu warm, zu kalt), miesen Service („ham wa nich“) und über gleichgültige Nachbarn („mir doch egal“). Auch über Ordnungsämter in den Bezirken gibt es immer wieder Klagen. Doch was mir jüngst ein Bekannter über seine Erfahrungen mit der Mitarbeiterin eines Ordnungsamts und den Folgen berichtete, hat wohl auch für Berlin eine neue Qualität auf der Nach-oben-offenen-Ärgerskala.
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Der Bekannte hat ein Auto und das parkt er in einer Straße in Berlin-Mitte. Eines Tages im Februar dieses Jahres hielt eine Politesse, nennen wir sie mal Frau Fleißig, den handschriftlichen Eintrag des polizeilichen Kennzeichens auf der Umweltplakette des geparkten Pkw für „nicht mehr ausreichend lesbar“.
Anzeige bei der Bußgeldstelle
Sie zeigte ihn bei der Bußgeldstelle an. Diese übermittelte ihm eine „Anhörung im Bußgeldverfahren“ mit Frau Fleißigs Vorwurf. Er widersprach deren Einschätzung und bestand darauf, dass die Beschriftung der Umweltplakette „ausreichend lesbar“ sei. Den Widerspruch nahm er über das Online-Portal der Bußgeldstelle vor.
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Wenige Tage später forderte ihn diese per Post auf, ihr elektronisch ein aktuelles Foto der Umweltplakette zu übermitteln. Das geschah, und die Bußgeldstelle teilte drei Tage später per Post mit, das gegen meinen Bekannten eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt zu haben. Vom Tag der „Tat“ bis zur Einstellung des Verfahrens vergingen 23 Tage. So weit, so gut hätte es sein können. Doch Frau Fleißig ruhte sich nicht aus.
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Genau 19 Tage nach Übermittlung des Beweisfotos an die Bußgeldstelle wiederholte sie Anfang März ihren Vorwurf, das Kennzeichen auf der Umweltplakette des besagten Pkw sei „nicht mehr ausreichend lesbar“. Und genau 19 Tage lagen auch zwischen der Einstellung des vorherigen Verfahrens und der Übermittlung der neuerlichen „Anhörung im Bußgeldverfahren“ durch die Bußgeldstelle. Das Procedere glich dem ersten Fall. Doch schlug die Geschichte nun einen Haken.
Erst nicht gehört, dann kommt der Bußgeldbescheid
Nach dem erneuten Widerspruch meines Bekannten blieb die Reaktion der Bußgeldstelle aus – jedenfalls für rund zwei Monate. Dann erreichte ihn ein „Bußgeldbescheid“ über 128,50 Euro. Der Text der vorherigen „Anhörung im Bußgeldverfahren“ war um den Hinweis ergänzt worden: „Wegen dieser Ordnungswidrigkeit wird gegen Sie eine Geldbuße festgesetzt in Höhe von 100 EUR. Außerdem haben Sie die Kosten des Verfahrens zu tragen: Gebühr 25,00 EUR; Auslagen 3,50 EUR; Gesamtbetrag 128,50 EUR.“
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In der Annahme, dass sein über das Online-Portal im März termingerecht erfolgter Widerspruch bei der Behörde „übersehen“ worden war, schrieb der Mann einen Brief an den namentlich ausgewiesenen Verfasser des „Bußgeldbescheids“ mit der Bitte um Erklärung seiner Entscheidung. Keine Reaktion vom Amt. Doch Anfang Juli trudelte ein Mahnschreiben ein, das die „Schulden“ um 5,00 Euro Mahngebühren auf 133,50 Euro erhöhte.
Und nun wurde der Ton bedrohlich: Die unverzügliche Zahlung liege im Interesse des Bekannten, „da sonst der geschuldete Betrag zwangsweise beigetrieben bzw. für Geldbußen die richterliche Anordnung der Erzwingungshaft beantragt werden kann“. Noch läuft das Verfahren, doch mein Bekannter kann kaum fassen, in welcher Lage er sich nun befindet. Er schimpft: „Eine übereifrige Politesse könnte mich jetzt ins Gefängnis bringen. Das hielt ich bisher für ausgeschlossen.“
Hoffentlich nur der Berliner Schlendrian
Inzwischen hält es mein Bekannter gar für möglich, dass auf diese Weise „systematisch zusätzliche Einnahmen für den öffentlichen Dienst erzielt werden sollen“. Sprich: Der Bürger wird abgezockt. Ich hingegen hoffe sehr, dass sich hinter der Odyssee meines Bekannten nur der Berliner Schlendrian verbirgt.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com