Eine Amsel sitzt auf einer Wiese mit Krokussen. Gelbe Blüten regen den Hahn mehr auf als lilafarbene.
Eine Amsel sitzt auf einer Wiese mit Krokussen. Gelbe Blüten regen den Hahn mehr auf als lilafarbene. imago/blickwinkel

In meinem kleinen Berliner Mieter-Vorgarten strahlen die Krokusse um die Wette. Trotz wenig frühlingshafter Temperaturen machen sie so klar, der Lenz ist unwiderruflich da. Ich ergötze mich an ihrem satten und hellen Lila, dem strahlenden Weiß. Nur die gelben Exemplare machen mir Sorgen.

Sie sehen etwas gerupft aus, an manchen Stellen regelrecht zerzaust, einige liegen darnieder. Und plötzlich entdecke ich den Übeltäter. Eine Amsel. Sie scheint etwas gegen die Frühlingspracht zu haben, die aus den im Herbst gesteckten Zwiebeln gewachsen ist. Der Vogel mit dem schimmernden Gefieder hüpft aufgeregt über den Boden, schlägt mit dem Schnabel immer wieder gegen die Blüten und schimpft dabei so ausdauernd, als sei er eigentlich ein Rohrspatz. Was ist mit ihm passiert? Warum ist er so aufgeregt? Warum will er den Blumen imponieren?

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Beim NABU finde ich die Antwort: Die Amsel kann gelbe Krokusse nicht ausstehen. Weil sie sie mit ihresgleichen verwechselt. Gelbe, gerade aufblühende Krokusse haben in den Augen eines Amselhahns Ähnlichkeit mit dem gelborangenen Schnabel potenzieller Konkurrenten. Deshalb gilt es der Amsel als unverzichtbar, sie rigoros zu bekämpfen. Mit allen möglichen Mitteln. Das Massaker in der Krokusrabatte ist nur ein Revierkampf mit einem mutmaßlichen anderen Amselhahn. Alles nur künstliche Aufregung. 

Über den Weiterbau der Autobahn 100 ist noch nicht entschieden. 
Über den Weiterbau der Autobahn 100 ist noch nicht entschieden.  Berliner KURIER/Markus Wächter

Daran muss ich in diesen Märztagen auch denken, wenn ich höre, wie empört die Grünen und Linken auf die angekündigten Koalitionsverhandlungen zwischen ihrer ehemaligen Partnerin SPD und dem Wahlsieger CDU reagieren.

„Wir sind zu Recht sauer“

Die Verschmähten sind tief beleidigt, die Linke will gar nie mehr mit SPD-Chefin Franziska Giffey sprechen. „Wir dürfen jetzt auch sauer sein, und ich finde, wir sind auch zu Recht sauer“, sagte Linken-Chefin Katina Schubert. Dass Giffey mit dem CDU-Landesvorsitzenden Kai Wegner Koalitionsgespräche führen wolle, sei „beschämend“, findet sie.  Dass die bisherige Regierende Bürgermeisterin ihren bisherigen Partnern Linken und Grünen eine Mitverantwortung für das Ende der rot-grün-roten Koalition gegeben hatte, nannte Schubert „Denunziationen“. Diese seien „erstunken und erlogen“. Entsprechende Äußerungen hätten lang anhaltende Schäden verursacht. Der amtierende Kultursenator Klaus Lederer von den Linken gab sich besorgt: „Das sind wirklich keine guten Tage für Berlin.“

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Vor einer Rückschrittskoalition gewarnt

Auch die amtierende grüne Umweltsenatsenatorin Bettina Jarasch ist auf Krawall gebürstet, entwirft düstere Szenarien für Berlin mit schwarz-roter Regierung. „Wir haben davor gewarnt, dass mit Schwarz-Rot eine Rückschrittskoalition kommt“, sagte sie. Und diese sei inzwischen schon da: "Klimaschutz und Mobilitätswende werden rückabgewickelt durch den Weiterbau der A100 und das Zubetonieren des Tempelhofer Feldes.“ Jarasch bezog sich damit auf Äußerungen von Wegner zu den beiden Themen. Demnach haben seine CDU und die SPD dazu eine ganz ähnliche Position. Wegner befürwortet einen Volksentscheid über eine Randbebauung des Tempelhofer Felds. Auch bei der umstrittenen Verlängerung der Autobahn 100 in den Osten Berlins kann er sich das vorstellen.  Beides kann dauern.  

Deshalb finde ich, eigentlich könnten sich Grüne und Linke doch ganz bequem zurücklehnen und etwas Großmut beweisen: Denn im Grunde ist es ähnlich wie bei der Amsel. Nachdem der Vogel aus den vermeintlichen Kämpfen des Frühjahrs siegreich hervorgegangen ist, bleibt abzuwarten, was er in den kommenden Monaten daraus macht ...   

Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com