Noch einmal spielen City auf. Zur letzten Runde-Tour  wollen sie 2022 antreten, sich dann für immer von der Bühne verabschieden.
Noch einmal spielen City auf. Zur letzten Runde-Tour wollen sie 2022 antreten, sich dann für immer von der Bühne verabschieden. Markus Wächter

„Einmal wissen, dieses bleibt für immer“: Mit dieser Zeile fängt der Mega-Hit „Am Fenster“ von City an. Worte, die deutlich machen, dass nichts auf dieser Welt für immer bleibt. Auch nicht die Band, mit deren Musik Generationen von Menschen in der DDR und später im wiedervereinten Deutschland aufwuchsen. Für sie war es ein harter Schlag, als City verkündeten, im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum zu feiern und dann Schluss zu machen.

Auch mir fällt es schwer zu akzeptieren, dass es diese Band bald nicht mehr geben soll. Denn City war und ist noch immer für den Osten wichtig. „Eine Band, die uns zum Nachdenken brachte, sanft zum Widerstand führte“, wie es ein Fan auf der Facebook-Seite von City schrieb. Wer die Texte der  Band kennt, weiß auch warum. Man musste nur die Botschaften zwischen den Zeilen verstehen.

Etwa das „Flieg‘ ich durch die Welt“ aus dem Refrain des Mega-Hits „Am Fenster“. Es  trug tatsächlich die Menschen durch ihr eingemauertes DDR-Leben. Es ging nicht nur um Reisefreiheit, sondern auch um die Mauern, die die Meinungs- und Gedankenfreiheit in dem SED-Staat nicht zuließen.

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Toni Krahl mit dem Album Casablanca: Auf der Platte ist auch der Song Halb und halb, in dem es um die Teilung Berlins und Deutschland geht. 1988 durfte City das Lied auf einem DDR-Rockfestival nicht singen.<br><br>
Toni Krahl mit dem Album Casablanca: Auf der Platte ist auch der Song Halb und halb, in dem es um die Teilung Berlins und Deutschland geht. 1988 durfte City das Lied auf einem DDR-Rockfestival nicht singen.

Markus Wächter

Die Jungs von City hatten Mut, sangen nicht über sozialistische Helden, sondern über die, die im Abseits des DDR-Systems standen – wie „Der King vom Prenzlauer Berg“. „Er liebt Jeans und T-Shirts, anders sah‘ n die Leute aus seiner Straße ihn noch nie an der Ecke stehn. Und mit seinen Kumpels frisiert er die Mopeds, fährt um den Block.“ Das war Musik und Freiheit - nicht nur in meinen Ohren.

Zugegeben, ich habe City, 1972 gegründet, recht spät für mich entdeckt. Das war im Juni 1988 auf der Rennbahn Weißensee, als dort an zwei Tagen West-Bands und Stars wie Big Country, Marillion, Heinz-Rudolf-Kunze und Bryan Adams auftraten. Wegen ihnen war ich, wie Zehntausende andere DDR-Jugendliche auch, zu diesen Konzerten gekommen. Und nicht wegen City, die in diesem Aufgebot der West-Stars als Ost-Band recht verloren schienen.

City knickten vor dem Staat nicht ein

Doch es war ihr Auftritt, der dieses Konzert zum Mega-Ereignis machte. Plötzlich erklärte Toni Krahl auf der Bühne, dass man ihnen gesagt habe, „dass wir heute einen Song nicht spielen dürfen“. Und dann sprach Krahl von  „Halb und halb“ vom Album „Casablanca“: „ Im halben Land und der zerschnittenen Stadt, halbwegs zufrieden mit dem, was man hat. Halb und halb." Das Publikum jubelte. Denn jeder verstand, was gemeint war. Für mich ist das heute noch ein Gänsehautmoment.

City aus ihrer Anfangszeit: Georgi Gogow, Klaus Selmke, Fritz Puppel und Sänger Toni Krahl mit Jesuslatschen.
City aus ihrer Anfangszeit: Georgi Gogow, Klaus Selmke, Fritz Puppel und Sänger Toni Krahl mit Jesuslatschen. Imago

Später erzählte mir Krahl, dass man der Band vor dem Auftritt gesagt habe, Egon Krenz wäre im Publikum und City sollte „Halb und halb“ besser nicht spielen. Die Musiker standen in diesem Moment mächtig unter Druck. Mit dem Sprechen der „gefährlichen Zeilen“ hat City gezeigt, dass sie vor keiner Obrigkeit einknicken. Respekt!

Das Lied wurde im Ost-Radio nie gespielt. Drei Jahrzehnte später sollte ein anderer Song im wiedervereinten Deutschland im Radio nie gespielt werden. „Mein Land“ heißt er, in dem City an die DDR mit ihren Schatten- und auch guten Seiten erinnert. Ein Song, der vielen Ostdeutschen aus der Seele spricht. Es ist schade, dass City bald nicht mehr für den Osten rockt.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com