Warum sind Brandenburger nur so ruppig auf den Straßen? Besonders zu vermeintlichen Berlinern
Unsere Autorin hat auf märkischen Straßen unschöne Erfahrungen gemacht.

Mein in die Jahre gekommenes Auto bockt plötzlich, ruckelt, nimmt kein Gas an. Dann trete ich durch und es verhält sich wieder vernünftig. Auf der Digitalanzeige erscheint nun ein beunruhigender Kommentar, den manche vielleicht verstehen, ich leider nur unzureichend. Nördlich von Berlin bin ich in Brandenburg unterwegs und eine Panne kann ich gerade nicht wirklich brauchen. In der Hauptstadt wartet meine Arbeit. Weil mich die Anzeige aber beunruhigt, fahre ich an geeigneter Stelle auf der Landstraße rechts ran und rufe den Kfz-Meister meines Vertrauens im fernen Berlin an, schildere ihm die Malaise.
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Er stellt Rückfragen, ich versuche sie im Rahmen meiner Möglichkeiten zu beantworten. Am anderen Ende der Leitung ist es kurz still, dann meint der Meister: „Fahr ruhig weiter und komm dann gleich zu uns. Kaputtgehen kann eigentlich nichts“. „Eigentlich“ ist ein Wort, das ich in dieser Situation nicht wirklich hören will. Es klingt nach „aber vielleicht doch“.
Das Auto stuckert nur langsam los
Weil ich keine Wahl habe, fahre ich dennoch mit einigem Herzklopfen weiter, erreiche Hohen Neuendorf. Auf der Bundestraße 96 halte ich an einer roten Ampel. Als sie grün zeigt, merke ich beim Anfahren, das Problem ist zurückgekehrt. Das Auto stuckert nur ganz langsam los, egal wie sehr ich aufs Pedal drücke. Schalte sofort die Warnblinkanlage an, um den anderen zu signalisieren, mit mir, oder besser gesagt dem Auto, stimmt etwas nicht. Hinter mir eine lange Schlange, niemand kann wegen des Gegenverkehrs vorbei. Ein ohrenbetäubendes Hupkonzert setzt ein, eine Frau brüllt sogar. Doch mein Wagen bewegt sich nur im Schneckentempo. Ein Alptraum.
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Und aus dem gibt es auch kein schnelles Erwachen, denn als die hinter mir Fahrenden endlich überholen können, ernte ich böse Blicke, sehe schimpfende Münder und eindeutige Gesten. Angst steigt in mir auf, hoffentlich meint nicht einer dieser heißblütigen Brandenburger, er (oder sie) müsse mich ob meiner verkehrlichen Verfehlungen gleich mal aus dem Auto ziehen.
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Denn das sehe ich trotz meiner misslichen Lage: Die meisten der Ungehaltenen haben Autokennzeichen, die sie als Brandenburger ausweisen. Ich hingegen muss mit meinem B einräumen, dass ich Berlinerin bin. Und damit nicht unbedingt beliebt in dieser Gegend. Ich tröste mich, es kann ja niemand ahnen, dass ich in meinem Herzen auch brandenburgisch fühle, schließlich stand in diesen Landen einst auch meine Wiege.
Animositäten zwischen Brandenburgern und Berlinern
Als gebürtige Brandenburgerin und langjährige Berlinerin hätte es mir sehr gefallen, wenn es in den 90er oder 2000er Jahren zu der angestrebten Fusion von Hauptstadt und Mark zu einem gemeinsamen Land gekommen wäre. Vielleicht hätte das die historisch gewachsenen Animositäten zwischen der großen Stadt und dem platten Land etwas abgemildert.
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Doch dass es nicht klappt mit der Gemeinsamkeit war allerspätestens klar, als der damals amtierende Berliner Regierungschef Klaus Wowereit über mangelnde Fusionsbestrebungen aus dem Nachbarland lamentierte, er habe „keine Lust mehr, alleine am Altar zu stehen und nicht abgeholt zu werden.“ Das wars dann erstmal mit der Fusion.

Mehr Gedanken über ein Land Berlin-Brandenburg kann ich mir jedoch gerade nicht erlauben, denn nach ein paar Kilometern problemloser Fahrt passiert mir das gleiche Malheur noch einmal. Das Auto zuckelt wie schaumgebremst über die Kreuzung, trotz meiner Warnblinkleuchte ziehen verständnislos kopfschüttelnde oder zornige Fahrer an mir vorbei. Mitgefühl Fehlanzeige!
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Dann beruhigt sich der Wagen wieder und schnurrt brav über die Berliner Stadtgrenze. Jetzt nur noch wenige Kilometer, denke ich, und dann ist es geschafft. Aber das Auto verweigert sich zum dritten Mal. Wieder an einer blöden Stelle, wieder muss ich andere behindern. Am liebsten würde ich mich mit dem Auto in Rauch auflösen.
Doch plötzlich klopft es an mein Seitenfenster: Ein Mann, der offenbar aus dem Wagen hinter mir ausgestiegen ist, fragt „Kann ick helfen?“. Da meine Werkstatt nur noch wenige Straßen entfernt ist, verneine ich, bedanke mich aber überschwänglich. Als er mich dann überholt, sehe ich, dass sein Wagen ein Brandenburger Kennzeichen hat. So sind se eben ooch, die Brandenburger.
Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com