Warteschlange, Schlendrian und Kannibalen-Kost: Rückblick auf eine Woche, die man sich nicht merken will

Die Tage seit dem Wahlsonntag in Berlin hatten es in sich, findet KURIER-Autorin Claudia Pietsch. 

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Nashorn-Junge Karl, Franziska Giffey und Martin Sonneborn.
Nashorn-Junge Karl, Franziska Giffey und Martin Sonneborn.Fotos: imago/Jochen Eckel, Berliner KURIER/Markus Wächter, Pressefoto Wagner

Was für eine Woche in Berlin! Die will man sich wirklich nicht merken. Die kann weg. Erst stehe ich am Sonntag mit vielen anderen weit mehr als eine Stunde geduldig im Wahllokal in Pankow an, dann stellt sich nur Tage später heraus, dass die Landeswahlleiterin diese Wahl versemmelt hat. Zumindest soweit, dass sie abtreten muss.  

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Später lästerte der Ex-Bürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, im Berliner Rundfunk 91.4 über seine ehemalige Nachfolgerin im Amt, Franziska Giffey. Und sprach davon, dass man ihr „Karrieregeilheit“ nachsage. So kurz nach einem Wahlsieg der SPD-Spitzenkandidatin könnte man das auch charmanter ausdrücken, finde ich.

Der ganz normale Schlendrian der Berliner Verwaltung

Und Martin Sonneborn erst – der Vorsitzende von "Die Partei". Er will eine Wahlprüfungsbeschwerde einlegen.  Seine Begründung in der Zeitung Die Welt: Es gehe nicht um Manipulationen, sondern „um den ganz normalen Schlendrian der unfassbar provinziellen Berliner Verwaltung“. Lakonisch fügte er hinzu: „Ich bin froh, dass Putin keine Wahlbeobachter nach Berlin geschickt hatte.“ Sicher, er übertreibt ein bisschen, aber die OSZE zumindest war ja da.      

Es wurde noch erstaunlicher in dieser vermaledeiten Woche. Die Tierschutzorganisation Peta forderte pflanzliche Kost für den Berliner „Kannibalen“. Das ist der Mann, der gerade wegen eines unappetitlichen Verbrechens vor Gericht steht. Aber eigentlich interessieren sich die Tierschützer wohl weniger für ihn und seine Ernährung, als für ihr eigenes Anliegen, die  ganze „industrielle Tierwirtschaft“ so schnell wie möglich zu beenden. Man muss nur Ideen haben, um seine Botschaft gut zu verkaufen.  

Und der Nashorn-Junge Karl starb

Dazu passt traurigerweise ein bisschen, dass in dieser Woche auch noch Nashorn-Junge Karl im Zoo gestorben ist. Der Dreijährige hatte sich womöglich, wenn ich die Begründung richtig verstanden habe, in seiner frühen Jugend eine Verletzung zugezogen, die sich dann entzündete und ihm Appetit und Verdauung verdarb.  Bei mir sorgte in etwa zeitgleich eine Nachricht aus Zehdenick nördlich von Berlin für Bauchgrummeln.

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Dort sind Probebohrungen nach Erdgas geplant. Der entsprechende Antrag ist gestellt. Viele Anwohner sind empört. Bei meinem letzten Ausflug ins Brandenburgische hatte ich gerade erst ihre Plakate an Häusern und in Vorgärten gesehen. Auf denen schreiben sie zornig: „Gegen Gasbohren“.  Nicht unverständlich, wer wünscht sich schon eine Riesen-Rüttelmaschine neben seinem Zaun? 

Man hätte es aber auch ahnen können, dass diese Woche nicht eine der besten ihrer Art wird. Es fing schon am 24. September an, als Oliver Welke in seiner ZDF-„heute-Show“ einen maulenden Hauptstädter zeigte und dann  ätzte: „… dit is Berlin, Politikverdrossenheit seit 1244“. Um dann noch einen draufzusetzen: „Zeige mir einen zufriedenen Berliner und ich sage Dir, das ist überhaupt kein Berliner, der kommt aus Schwaben.“   

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Die Krönung dieser denkwürdigen Woche war für mich allerdings der Gang auf den Pankower Wochenmarkt. Denn dort waren am Freitag tatsächlich die bunten polnischen Lutscher ausverkauft, die ich sonst immer für meine kleine Nichte besorge.   

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com