Helden in der DDR: In dieser Ausstellung wird an sie erinnert. Aber: Brauchen wir Helden überhaupt noch?
Unsere Autorin stolpert verdächtig oft über den Heldenbegriff und kann doch so wenig damit anfangen.

Gleich mehrere Male sind mir in der letzten Woche Helden untergekommen. Einmal in der Hollywood-Version: Tom Cruise im TV als Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der mit dem Attentat auf Hitler zu den klassischen Helden der deutschen Geschichte zählt. Zum zweiten Mal im Urlaub: im Panorama-Museum in Bad Frankenhausen. Dort fallen sowohl der Maler des dort ausgestellten Monumentalbildes zum Bauernkrieg, Werner Tübke, als auch eine zentrale Figur im Werk, der Theologe Thomas Münzer, der die Bauernproteste anführte, in die Schublade: hat außergewöhnliches geleistet, wuchs über das Normalmaß hinaus.
Ein Land und seine Helden: Neue Ausstellung im DDR-Museum
Das dritte Mal stolperte ich über Helden in einer Ankündigung zu einer neuen Ausstellung im DDR Museum. „Ein Land und seine Helden – 25 Geschichten aus der DDR“ heißt die Sonderausstellung, das Museum portraitiert Persönlichkeiten, deren Taten Teil der Geschichte des untergegangenen Staates sind.
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Ja was denn nun? Sind Helden, jetzt wo Krieg in der Ukraine herrscht, wieder en vogue? Erst neulich hat jemand im Thälmannpark „Held“ auf das Thälmann-Denkmal gesprüht. Andere finden, er war mindestens ein Schuft. In der Zeitung lese ich über einen heldenhaften Bäcker, der bis zuletzt im zerschossenen Mariupol Brot buk.

Ein Held, eine Heldin, das sind Menschen, die über sich hinaus wachsen. Wäre all die politische Instrumentalisierung nicht, die oft reflexhaft einsetzt, wenn einer eine Heldentat vollbringt, man könnte glatt anfangen, sie zu verehren. Aber mal ehrlich: Brauchen wir überhaupt noch so etwas wie Helden? Wozu sind sie gut? Vielleicht hilft ja die Ausstellung im DDR-Museum bei meiner Ratlosigkeit im Umgang mit dem antiquiert wirkenden Sammelbegriff weiter.
Gleich am Eingang vor den Vitrinen wird Brecht zitiert: Am Ende seines Dramas „Das Leben des Galilei“ lässt der den Studenten Andrea Sarti sagen: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat!“ Und die berühmte Antwort Galileo Galileis lautet dann: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“
Die ganze Palette: Staatshelden, Volkshelden und Antihelden
Die Einteilung die in der Ausstellung dann vorgenommen wird, zeigt eine ganze Palette von Helden: hier tummeln sich die Geschichten von Staatshelden, Volkshelden und Antihelden. Je nach Sichtweise und Windrichtung gelten sie den einen als Vorbild, den anderen als Feind.
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Vorgestellt werden nicht nur die Geschichten der Olympiasiegerin Katarina Witt oder des Kosmonauten Sigmund Jähn, sondern auch Geschichten der Antihelden, die häufig Karriere und Freiheit riskierten, wie Robert Havemann oder Frieda Spitzbarth, welche 1964 in einem Brief an Walter Ulbricht gegen den Abriss der Leipziger Universitätskirche protestierte.
In der Ausstellung im DDR -Museum wird an Helden wie Kurt Masur erinnert, der half die Montagsdemonstrationen in Leipzig friedlich sein zu lassen, an Heinrich Dathe, an Manfred Krug, an Michael Succow, den Biologen, der den Weg zum Nationalparkgesetz der DDR ebnete. Manchmal erweist sich heldenhaftes Tun erst viel später als heldenhaft. Es kann nicht schaden, sich daran zu erinnern: die wahren Helden sind meist die, die es selber gar nicht bemerken.
Man habe bewusst keinen Personenkult betreiben wollen, erklärt der Leiter des Museum Sören Marotz, vielmehr seien die Heldentaten in den Vordergrund gerückt. Die Ausstellung will zum Nachdenken über eigene Helden anregen. Mir zeigt sie, dass es manchmal schlicht Zufall ist, ob man im Ernstfall über sich hinaus wächst. Und dass Geschichte Helden macht, und sie ebenso schnell wieder fallen lässt.
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„Helden vertreten eine Sache, die grösser ist als sie selbst, sie stehen für das Beste in uns – ein Bestes, für das wir selbst vielleicht nicht ganz gut genug sind“, schreibt der Philosophie-Professor Dieter Thomä. Dabei gibt es genug Gelegenheiten, selbst zum Alltagshelden zu werden. Danach zu streben, die Welt im Kleinen und im Großen zu einem besseren Ort zu machen, ist kein überkommener Vorsatz. Wenn uns Helden und Heldinnen mit ihren Geschichten daran erinnern, dann soll es mir sehr recht sein.
Die kostenfreie Ausstellung im DDR-Museum ist offiziell vom 28. April bis zum 31. Oktober 2022 im Foyer des Museums zu sehen.
Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Berlins Kieze und den Osten.
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