Vor allem in der Unterhaltungsbranche kommt es heute mehr denn je auf Vielfalt und Individualität an. Menschen – auch im Reality-TV – wollen nicht mehr in Schubladen gesteckt werden. Doch eine ProSieben-Reality-Show tut genau das und hat damit auch noch jede Menge Erfolg. Wie kann das sein?
Man würde denken, „Beauty & The Nerd“ ist Satire
„Beauty & The Nerd“ (donnerstags auf ProSieben und Joyn) war schon 2013 der Renner und ist es heute immer noch. Ein paar schöne Frauen – genannt Beautys – treffen auf ein paar nerdige Männer und bringen ihnen das Leben bei. Seit einigen Staffeln mischt auch ein Beauty-Mann mit einer Nerdin mit. Die Beautys stehen in der Auftaktfolge im kurzen Glitzerkleid vor einer Villa und warten auf ihre Nerds. Den lieben langen Tag denken sie überwiegend an Schminke und andere Beautyprodukte.
Die Nerds hingegen legen keinen Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild, entweder tragen sie unstylische T-Shirts oder aber Kostüme, die für ihre Nerd-Leidenschaft stehen. Um sich den Beautys vorzustellen, halten sie einen Gegenstand wie ein Plastikschiff oder eine Tastatur in ihren Händen, damit sowohl die Beautys als auch die Zuschauer vom ersten Moment an wissen, worauf sie sich einlassen. Es gibt den Schiffs-Nerd, den Mittelalter-Nerd, den Informatik-Nerd ... Auch die Spiele verdeutlichen, wo genau sich die Beautys und Nerds wissenstechnisch befinden. Müssen die Nerds zum Beispiel beweisen, dass sie etwas von den Beautys gelernt haben, werden ihnen Fragen gestellt wie „Wofür ist ein Mascara?“ oder „Was ist ein Brazilian Butt Lift?“ Man würde denken, diese TV-Show ist Satire – ist sie aber nicht.

Alle warten nur aufs große Umstyling
Der Unterhaltungsfaktor von „Beauty & The Nerd“ liegt darin, dass wir alle sehen wollen, ob und wie diese zwei völlig fremden „Menschenarten“ miteinander zurechtkommen. Werden die Beautys am Ende der Show vielleicht mehr über Schiffe, das Mittelalter und Computer wissen? Und schaffen es die Beautys, die Nerds aus ihrem Schneckenhaus zu locken und sie zu sozialisieren?
Eigentlich auch egal, die Zuschauer warten ähnlich wie bei GNTM sowieso nur auf das große Umstyling am Ende der Show. Wenn die Nerds endlich auf Modedesigner Thomas Rath treffen, der ihnen die Bärte und Comic-Shirts nimmt, ihnen eine trendige Frisur verpasst und sie in schnittige Anzüge steckt. Wir wissen alle, dass die neuen Looks wohl nicht lange anhalten werden, wenn die Nerds erst einmal wieder in ihrem Alltag angekommen sind, trotzdem sind und bleiben diese Umstylings das Highlight der Show.
Klar, „Beauty & The Nerd“ bricht oder spielt nicht etwa mit den Klischees, im Gegenteil. Geht es nach der Woke-Bewegung, dürfte es solch eine TV-Show wohl eigentlich gar nicht geben. Doch seien wir mal ehrlich, am Ende zählt eh nur eins: Dass sich genug Zuschauer unterhalten fühlen.
Julia Nothacker schreibt donnerstags über Stars und Sternchen. Kontakt in die Redaktion per E-Mail an: wirvonhier@berlinerverlag.com ■