Teure Pfifferlinge, kalte Wohnungen und ein Atomkraftwerk unter Beschuss
Unsere Autorin ist beunruhigt darüber, dass es angesichts der aktuellen Lage mehr Fragen als Antworten gibt.

In der Pfanne brutzeln Pfifferlinge. Im Fernsehen läuft zu meiner Nebenher-Unterhaltung ein alter „Wilsberg“ aus dem Jahr 2010. Ich höre nicht wirklich zu, sondern versuche mich zu erinnern, welche Fragen wir uns wohl damals stellten. Sicher scheint mir, dass sie einfacher zu beantworten waren, als jene, die uns jetzt beunruhigen.
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Die Pfifferlinge stammen aus Polen, gekauft habe ich sie auf dem Wochenmarkt. Zu einem stolzen Preis. Aber da ich annehme, dass es wegen des Dürre-Sommers derzeit keinen Sinn hat, in Berliner oder Brandenburger Wäldern nach Pilzen zu suchen, habe ich sie uns geleistet. Denn für den nächsten Tag hat sich Besuch angesagt.
Die Händlerin, bei der ich die Pifferlinge kaufte, habe ich gefragt, wie ihre Geschäfte so laufen. Sie meinte, es geht alles gut weg, "selbst die teuren Pfirsiche und Aprikosen. Die Leute wollen ihr Geld ausgeben, solange es noch was wert ist." Sie wird wissen, was sie an ihren Markttagen erlebt. Allerdings passt das nicht ganz zu einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken, nach der sich wegen der hohen Inflation sieben von zehn Menschen in Deutschland zu Einsparungen bei Urlaub, Freizeit und Restaurantbesuchen gezwungen sehen. Ein Fünftel muss sich laut Umfrage aufgrund der stark gestiegenen Preise bei sonstigen Ausgaben „sehr einschränken“, weitere 53 Prozent müssen sich „etwas einschränken“.
Nur vier Euro für einen ganzen Tag
Als ich das lese, kommt mir der Frührentner in den Sinn, der im Berliner KURIER ohne zu klagen berichtete, dass er manchmal nur vier Euro am Tag zur Verfügung hat. Die Frage nach Einschränkungen dürfte ihm nur ein müdes Lächeln abringen. Auch den Ukrainern, die vor dem elendigen Krieg in ihrem Land zu uns geflohen sind, stellen sich wohl ganz andere Fragen.
Später erzählt mir eine Bekannte, sie habe sich nach mehreren Jahren mal wieder Holz für ihren Kamin bestellt. Aus Angst davor, das Heizen ihrer Wohnung mit Gas nicht bezahlen zu können. 300.000 Berliner in landeseigenen Quartieren wissen indes bereits, dass sie sich im nächsten Winter warm anziehen müssen. Für ihre Wohnungen sind am Tage nur noch 20 Grad geplant, nachts sogar nur 17. Eine gute Nachricht nur für jene, die mit Fellwesten und Ähnlichem handeln.
Im Radio höre ich dann, dass die Sorgen um das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk in Saporischschja im Süden der Ukraine weiter enorm sind. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig den Beschuss des größten europäischen Atomkraftwerks vor. Laut Betreiberkonzern ist die Infrastruktur beschädigt, es besteht die Gefahr, dass radioaktive Stoffe und Wasserstoff freigesetzt würden. Oder dass ein Brand ausbreche. Hilft es, gegen so eine Bedrohung zu demonstrieren, frage ich mich ratlos.

Die Gaskrise beunruhigt auch die Toilettenpapier-Hersteller
Zu guter Letzt fällt mir noch eine Mitteilung des Verbandes „Die Papierindustrie“ in die Hände. Aus ihr lässt sich entnehmen, dass auch die Hersteller von Hygienepapier angesichts der Gaskrise beunruhigt sind. Sie warnen vor möglichen Engpässen. „In der gegenwärtigen Energiekrise ist unsere oberste Priorität die Sicherstellung der Versorgung der Menschen mit diesem wichtigen Gut“, sagte Vizepräsident Martin Krengel. Er fügte hinzu: „Im Hygienepapier-Produktionsprozess sind wir besonders auf Gas angewiesen. Bei einem Wegfall können wir die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleisten.“ Das also auch.
Als ich endgültig genug habe von all diesen großen und kleinen äußerst beunruhigenden Dingen, fängt es an zu regnen. Und nicht zu knapp, es pladdert Blasen, wie wir früher als Kinder sagten. Ein Zeichen dafür, dass der Niederschlag lange anhält. Damit könnte sich eine von meinen minderen Sorgen erledigt haben. Teure Pilze muss ich nicht mehr kaufen, kann mir vielleicht doch noch selber welche im Wald sammeln. Alle anderen Fragen bleiben.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com