Wie manipulativ ist die Reality-TV-Branche wirklich? Wie viel wird riskiert, um eine gute Show zu liefern? Wie oft wird die Quote über die Menschlichkeit und die Moral gestellt? Fragen, denen die ARD-Reportage „Sex, Alkohol, Manipulation – Reality-TV-Stars packen aus“ nachgegangen ist. Heraus kamen erschreckende Details darüber, wie es angeblich zu den Szenen kommt, die für Action und Drama in einer Realityshow sorgen. Im Fokus sind dabei Dating-Formate wie „Ex on the Beach“, „Are You the One?“ und „Temptation Island“.
Ehemalige Mitarbeiter und Kandidaten packen über Reality-TV aus
Ein ehemaliger Realisator packte darüber aus, dass er am Set Menschen gezielt gesteuert hat, um die Geschichte in eine spannende Richtung zu lenken. „Ich nehme dafür Dinge in Kauf und reize die Personen. Ich nehme dafür zum Beispiel in Kauf, dass da jemandem die Hand ausrutscht. Es passiert dann zumindest was“, verriet der ehemalige Mitarbeiter anonym. Und: „Ich hatte Situationen, in denen ich mir bewusst vorgenommen habe, eine Person zu brechen, um zum einen Emotionen von dieser Person zu bekommen, als auch gleichzeitig, um die Maske, die sie sich selbst aufgesetzt hat, runterzureißen.“
Während die Teilnehmer zum Beispiel auf Essen, Luxusartikel, Hygiene und Schlaf verzichten müssen, darf eine Sache auf keinen Fall fehlen: Alkohol. Eine ehemalige Teilnehmerin einer Realityshow erzählte, dass die Produktion es ausnutzte, wenn Kandidaten ihre Hemmungen verloren, und gleich noch mehr Alkohol brachte. Die ehemalige Teilnehmerin sei dazu gedrängt worden, die teilnehmenden Männer sexy anzutanzen, obwohl sie das nicht wollte. Eine andere ehemalige Kandidatin berichtet von einem sexuellen Übergriff eines männlichen Kandidaten, der gerade noch durch die Produktion gestoppt werden konnte.
Wie viel Alkohol ist wirklich angebracht?
Die Produktionsfirma und der Sender streiten diese Vorwürfe entweder ab oder spielen sie runter. Was genau an solchen Drehsets passiert, weiß natürlich auch ich nicht. Was jedoch deutlich anhand der ausgestrahlten Sendungen zu erkennen ist: Alkohol spielt grundsätzlich eine große Rolle, das können weder die Produktion noch der Sender bestreiten. Bei den genannten Formaten werden fast täglich wilde Pool-Partys gefeiert, bei denen die Kandidaten ohne Ende saufen. In der Regel feiern die Kandidaten dann ausgelassener, werden sexuell aktiver, betrügen leichtfertiger und denken weniger über die Konsequenzen nach.
Klar, am Ende entscheiden die Kandidaten immer noch selbst, ob und wie viel Alkohol sie trinken. Trotzdem finde ich es persönlich sehr befremdlich und erschreckend, dass in der heutigen Zeit noch immer zu solch plumpen und zugleich gefährlichen Mitteln gegriffen wird, um Menschen zugunsten der Quote gefügiger zu machen. Es ist natürlich der einfachste Weg, alkoholische Getränke en masse anzubieten, die Kameras draufzuhalten und dann jegliche Verantwortung von sich zu schieben. Das mitanzusehen, finde ich selbst aus Zuschauer-Sicht nicht nur unangebracht, sondern auch einfach nicht unterhaltsam.
Julia Nothacker schreibt donnerstags über Stars und Sternchen. Kontakt in die Redaktion per E-Mail an: wirvonhier@berlinerverlag.com ■