Schimpfen Sie ruhig, aber originell! Warum Fluchen manchmal ziemlich witzig ist
In einer Ausstellung des Berliner Kommunikationsmuseums hat unsere Autorin einen „Fluchgenerator“ entdeckt

Ich schlendere an diesem Frühlingstag etwas sonnentrunken entlang einer der Fahrradstraßen meines Bezirks. Als ich sie überqueren will, schreit mich plötzlich ein heranrasender Radler an: „Haste keene Oogen im Kopp, Du Trulla.“
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Solch rustikale Ansprache ist man in Berlin ja gewöhnt. Dennoch zucke ich kurz zusammen. Als sich mein Schreck legt, wird mir klar, dass er nur prophylaktisch so wütend war. Passieren hätte nicht wirklich etwas können, denn ich hatte seine Schnellspur noch lange nicht erreicht. Aber ein bisschen sauer bin ich schon.
Flitzpiepe oder Piesepampel?
Hätte er sich nicht was Originelleres ausdenken können? Sich etwas mehr Mühe geben, um seinem Zorn ob meiner vermeintlichen Unaufmerksamkeit passenden Ausdruck zu verleihen. Gibt es doch so schöne alte Berliner Schimpfwörter wie Flitzpiepe, Piesepampel oder Lahmarsch. Aber klar, für Frauen eignen die sich alle nicht.
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Als ich im Netz auf der Suche nach akzeptablen Schimpfwörtern und Kraftausdrücken bin, die nicht so männlich daherkommen, finde ich davon zwar nicht viele. Dafür aber einen Hinweis auf eine Ausstellung im Berliner Museum für Kommunikation. „Potz!Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech“ heißt sie. Es geht um Flüche, Schimpfworte und Kraftausdrücke. Und darum, warum der Mensch manchmal verbal aus der Rolle fällt.

Im Material zur Ausstellung erklärt die Psychotherapeutin Prof. Aglaja Stirn, dass die Menschen schon so lange fluchen, wie sie der Sprache mächtig sind. Lautes Schimpfen oder Meckern könne anderen mitteilen: „Ich bin in einem sehr hohen emotionalen Zustand“. So könnten Mitmenschen abgeschreckt oder auch beleidigt oder verletzt werden. Und das Fluchen schützt einen selbst davor, dass man handgreiflich wird, weil man sich mit Worten ausdrückt. Und es baut Stress ab, kann Schmerzen lindern.
Mindestens mindestens 60 Prozent der Bevölkerung fluchen regelmäßig und nur 10 Prozent gar nicht, erfahre ich weiter. Dabei gebe es sowohl kulturelle Unterschiede, als auch solche, die sich auf die Persönlichkeit beziehen. Extrovertierte Personen neigen eher zum Kraftausdruck, als zurückhaltend-schüchterne Menschen. Ich vermute bei den Beleidigern und Trollen im Netz ist das nicht ganz so. Doch das ist anderes Thema.
In der Ausstellung gibt es einen „Fluchgenerator“
Am besten gefällt mir an der Schau im im Kommunikationsmuseum der „Fluchgenerator“. Den kann man auch online ausprobieren und es kommen herrliche Beleidigungen dabei heraus: etwa megamorbider Sinnabstinenzler, aggrophiler Dixieklo-Clown oder fehlgepulster Pausenclown. Das macht doch mehr her als dumme Pute, trotteliger Nieselpriem oder schlicht mieser Mops. Einfach mal ausprobieren und sich dann am verdutzten Gesichtsausdruck des Gegenübers ergötzen!
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Mein Lieblingsfluch allerdings stammt nicht aus dieser Maschine und auch nicht aus Berlin, sondern aus Bayern. Ich las ihn zum ersten Mal auf einem Aufkleber an einem Auto an der Ostsee. Weil der Wagen die ganzen zwei Wochen unseres Familienurlaubs an einer Straße nahe des Strandes parkte, haben wir Kinder ihn damals auswendig gelernt. Und können ihn bis heute aus dem Stegreif verwenden: Himmiherrgottsakramentfixhallelujamileckstamarschscheißglumpverreckts! Doch der Fahrradfahrer, der mich anschnauzte, war dann schon zu weit weg, als ich ihm das erwidern wollte.
"Ausstellung Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech", noch bis zum 25. Juni im Museum für Kommunikation Berlin. www.mfk-berlin.de
Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com