RTL Samstag Nacht bekommt eine Wiedersehens-Show. Die Retro-Welle geht weiter.
RTL Samstag Nacht bekommt eine Wiedersehens-Show. Die Retro-Welle geht weiter. RTL/Willi Weber

Es ist ungefähr ein halbes Jahr her, dass ich mich in meiner Kolumne das letzte mal mit der Retro-Welle im deutschen Fernsehen beschäftigt habe. Damals war ich noch recht angetan von der Idee, das Fernsehprogramm mit der einen oder anderen Neuauflage zu schmücken, war gespannt darauf, wie „7 Tage, 7 Köpfe“ wohl in den 2020er Jahren aussehen wird - und überlegte in freudiger Erwartung, welche Formate es denn verdient hätten zurückzukommen und welche nicht. 

Doch seither sind viele Wochen vergangen - und in kaum einer dieser Wochen gab es keine Berichte über eine Neuauflage, ein weiteres Revival, ein neues Wiedersehen, eine zurück ins Programm geholte Uralt-Show oder ähnliches. Würden nicht zahlreiche dieser Neuauflagen grandios scheitern, wäre das TV-Programm nicht mehr nur gespickt mit diesen Shows, sie würden den Fernsehalltag wohl beinahe bestimmen. Damit muss jetzt langsam Schluss sein!

Retro-Welle: Erinnern kann schön sein

Natürlich erinnern wir uns gerne zurück, das ist ganz menschlich. Wenn ein heute 50-Jähriger an „RTL Samstag Nacht“ denkt, das im Oktober ein Wiedersehen feiert, denkt wir auch an sein Leben, das er geführt hat, als er die Comedy-Show gesehen hat. Er denkt daran, dass er Mitte 20 war, weniger Verpflichtungen hatte, mehr Freiheiten, mehr Leben vor sich. Eine heute 40-Jährige verbindet die Sendung vielleicht damit, heimlich länger aufgeblieben zu sein, um damit vor den Freunden in der Schule angeben zu können. 

Doch schaut man genau hin, fällt auf: All diese Shows passen nicht mehr in die Zeit. Weder das durchs Studio kreischende Publikum, der Glühbirnen-Rahmen und die Konsumgeilheit bei „Der Preis ist heiß“ noch eine Wochenzusammenfassung à la „7 Tage, 7 Köpfe“ wenn jeder Internet hat.

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Diese sieben Comedians saßen in der ersten Folge von 7 Tage, 7 Köpfe am Pult.
Diese sieben Comedians saßen in der ersten Folge von 7 Tage, 7 Köpfe am Pult. RTL / STEFFEN Z WOLFF / BRAINPOOL

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Es werden Shows zurückgeholt, die einfach nicht mehr funktionieren könne. Dabei scheinen sie ein beidseitiges Festklammern an längst vergangenen Zeiten zu sein – von Protagonisten und vom Publikum. An Zeiten, in denen vermeintlich alles besser war, in denen der heute 50-jährige Zuschauer noch mehr Freiheiten hatte und der heute über 70-jährige Moderator noch das TV-Gesicht des Landes war. 

Retro-Welle: Die 90er waren nicht besser als die heutige Zeit

Wenn man mal objektiv an die 90er zurückdenkt, war diese Zeit allerdings nicht wirklich besser. Ein paar Beispiele aus Deutschland gefällig? Beim Telefonieren kostete jede Minute Geld, die Gesundheitsversorgung war schlechter, die Lebenserwartung niedriger – und Probleme wurden gerne unter den Teppich gekehrt: Auch in den 90ern wusste man schon von der Klimakrise und lachte sie weg, rassistische Positionen wurden nicht verurteilt, sondern fanden noch direkter als heute den Weg in Reden und Programme von CDU, SPD und Co., Frauen waren längst nicht so frei wie heute, erst 1997 entschied der Bundestag, dass sexuelle Übergriffe auch in der Ehe als Vergewaltigung zu bewerten – übrigens ohne die Stimme des heutigen CDU-Chefs Friedrich Merz.

Es ist gut, dass man die 90er nicht zurückholen kann, auch wenn Moderatoren wie Thomas Gottschalk das immer wieder mit Gender-Witzen zu versuchen scheinen. Sicher ist, es wird ihm nicht gelingen. 

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Das früher nicht alles besser war, bedeutet übrigens nicht, dass alles schlechter war - und dass ich kein Revival mehr im deutschen Fernsehen sehen will. Wie wäre es mit der „Wochenshow“ als Farbtupfer zwischen neuen innovativen Formaten? Meinetwegen darf auch „Geh aufs Ganze“ bleiben, aber wenn die Sender im aktuellen Tempo mit der Retro-Welle weitermachen, brauchen wir künftig kein neues TV-Programm mehr drucken. Dann nehmen wir einfach das von 1995.

Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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