Reise in die Vergangenheit: Ich habe mir eine Nachmittags-Talkshow von Britt angeschaut
Immer wieder liest und hört unser Kolumnist den Satz: „Fernsehen ist auch nicht mehr, was es war.“ Jetzt hat er einmal die Nachmittags-Talkshow Britt aus den 2000er Jahren geschaut.

In den Kommentarspalten auf Instagram und vor allem Facebook lese ich immer wieder einen Satz: „Fernsehen ist auch nicht mehr das, was es war“. Doch was bedeutet das genau? Wie auch Mode, Taktiken im Sport, Musik und viele weitere Dinge unseres Lebens folgt auch Fernsehen Trends. Aktuell – das kann man finden, wie man will – steht Reality-TV hoch im Kurs.
In den späten 2000er Jahren waren es die Sitcoms, die deutlich stärker als heute das Programm bestimmten. Und davor: Klar die Nachmittagstalkshows. Arabella Kiesbauer, Ricky Harris, Sonja Zietlow, Oliver Geißen und natürlich Britt Hagedorn talkten sich viele Jahre durch die Nachmittage. Und wie der Zufall es so will, kann man sich die Folgen von „Britt“ aktuell kostenlos auf der Homepage von Sat.1 ansehen. Und ich hab es gewagt.
Britt Hagedorn klärt die wichtigen Themen am Nachmittag
Die Folgen tragen Titel wie „Gute Nacht! Ich will dich nur fürs Bett“, „Prachtmöpse: Mir kann keiner Widerstehen“ oder „Zerbrochene Liebe“. Letztere Folge habe ich mir angeschaut. Dort will die 31-Jährige Diana herausfinden, ob ihr Mann Thomas sie betrogen hat. Die Verdachtsmomente: Ein verstecktes Handy, eine Strumpfhose in seiner Tasche und eine gefundene Handynummer.

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Eine verdammt verzwickte Situation, wie sie so oft bei Britt vorkam. Doch die Moderatorin konnte diese immer wieder lösen. Meist half dabei ein Vaterschafts- oder wie in diesem Fall ein Lügedetektor doch bei Britt wurden diese stets ganz einfach aufgelöst – wahlweise mit einem Vaterschafts- oder einem „Lügendetektor“-Test.
Für die Verkündung der Ergebnisse wurde stets das Licht heruntergeregelt und ziemlich dramatische Musik eingespielt. In späteren Folgen wurden die Ergebnisse skurrilerweise gar von „Mark mit dem Silberkoffer“ ins Studio transportiert, dessen Job in nichts anderem bestand, als mit diesem völlig überdimensionierten Koffer ins Studio zu spazieren.
Britt: Der Lügendetektor gehörte zu vielen Sendungen dazu
Thomas wurde von dem „Lügendetektor“ jedenfalls vollständig entlastet, was bei seiner Diana zu Tränen der Rührung und dem Studiopublikum zu Freudenstürmen führte. Denn auch das war Teil des Konzepts. Das Publikum musste auf das reagieren, was sich da auf der Bühne abspielte: Lachen, jubeln, ausbuhen. Dazu wurden auch immer wieder einzelne Zuschauerinnen oder Zuschauer und deren Reaktionen eingeblendet.
Wenn man das alles heute sieht, sitzt man irgendwann da und denkt: Das kann doch alles nicht wahr sein. Diese Fröhlichkeit bei Britt und beim Publikum, die völlig herbeiinszenierte Spannung, das unverhältnismäßig große Vertrauen in die unwissenschaftliche Methode eines „Lügendetektor“-Tests und die völlige Unbedarftheit der Kandidaten.
Britt setzte auf echte Menschen statt Laiendarsteller
Denn bei Britt legte man auch in den späten 2010er Jahren noch Wert darauf, keine Laiendarsteller, sondern echte Kandidaten in die Sendung zu bringen. Reality-TV eben. Die Kandidatinnen und Kandidaten wurden bei Straßencastings oder durch Aufrufe gefunden. Redakteure klopften ab, ob diese auch wirklich bereit waren, ihre Geschichte im Fernsehen zu erzählen. Geld gab es auch dafür: 50 Euro, Anfahrt und Übernachtung.
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Und vielleicht ist das der größte Unterschied zwischen den Nachmittagstalkshows der 90er und 2000er Jahre: Deutschland war noch nicht durch dutzende Reality-Shows durchgecastet und es war die Zeit vor Instagram. Wer seine 15 Minuten Ruhm haben wollte, lud nicht etwa ein Foto oder eine semi-lustige Reaktion auf etwas ins Netz, sondern ging eben zu Britt, Ricky und Co.
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Heute noch fünfmal die Woche die Menschen zu finden, die ihre skurrile Geschichte im Fernsehen erzählen wollen, aber diese nicht schon irgendwo veröffentlicht haben, wäre wohl eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Ganz wertfrei zurück zur Ausgangsthese: Ja. Das Fernsehen, ist nicht mehr was es war, aber so ist das nun einmal in einer sich entwickelnden Welt. Wer dennoch einen Blick in die Vergangenheit werfen will, hat die ganze Weite des Internets zur Verfügung.
Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com.