Queen-Beerdigung stundenlang auf allen Sendern: Was sollte dieser weltfremde Schwachsinn?
Mehrere Sender zeigten das Millionen-Spektakel viele Stunden parallel. Die Sendezeit hätte man besser nutzen können.

Nein, ich bin kein Riesen-Fan des Vor- und Nachmittagsprogramms im Deutschen Fernsehen. Ich komme gut ohne „Küchenschlacht“, „Rosenheim-Cops“, „Auf Streife“ oder „Die Retourenprofis“ aus. Sehr gut sogar. Aber was sich am Montag auf ARD, ZDF, Sat.1, RTL, Phoenix, Welt und NTV abspielte, war so gewaltig, so surreal, so weltfremd, dass man sich wirklich die Frage stellen musste: Haben wir hier 2022 oder doch eher 1707?
Queen-Beerdigung: Millionen-Show auf allen Sendern
Dieses Schauspiel, das dort in England rund um die Beisetzung von Queen Elizabeth II. veranstaltet wurde und die riesige Bedeutung, die diesem Event beigemessen wurde, wirkte völlig aus der Zeit gefallen. Für wen genau wurden denn dort Millionen Pfund für ein viele Tage dauerndes Trauer-Spektakel ausgegeben? Und für wen warfen gleich mehrere Sendeanstalten ihren Sendeplan über den Haufen? Für eine geliebte „Mummy“, Oma und Uroma, deren Angehörige selbstverständlich das Recht zu trauern haben? Eher nicht.
Das war ein Millionenspektakel für das verstorbene Oberhaupt der seit Jahrhunderten bestehenden britischen (und zuvor englischen) Krone. Und genau das ist es, was die Größe der Trauerfeier und die Begeisterung, die ganz offenbar sogar in die Spitzen der TV-Sender reichte, so pervers macht.

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Denn das Zeitalter der Monarchie ist abgelaufen. Die Queen sollte keine Bedeutung mehr haben, die darüber hinausgeht, Charles‘ „Mummy“ und Williams Oma zu sein. Doch das entspricht leider nicht der Realität. Mit 86 Millionen Pfund im Jahr finanziert der britische Steuerzahler die Krone, hinzu kommen Ländereien, Schlösser, Schmuckstücke, die die Royals „besitzen“ und so dem britischen Staat und seinen Bürgern vorenthalten.
Die Familie der Queen wurde durch Ausbeutung reich
Die Reichtümer hat die Krone nicht nur durch die Ausbeutung der britischen Bevölkerung angehäuft, sondern vor allem in den Kolonien. Die Queen, die nicht nur eine begeisterte Reiterin, sondern als britische Königin auch Repräsentantin des riesigen Kolonialreiches, indem es Unterdrückung, Ausbeutung und Genozid gab. Das britische Königshaus lässt sich davon nicht trennen. Nicht nur, weil Elizabeth II. bereits auf dem Thron saß, als Großbritannien noch Kolonialmacht war, sondern auch, weil die Folgen des Kolonialismus noch auf der ganzen Welt zu spüren sind.
Die pompöse Millionen-Trauerfeier fand also nicht für die Uroma von George, Charlotte und Archie statt, sondern für die Repräsentantin eines Jahrhunderte andauernden Unterdrückungsapparats.
Es gibt kein Szenario, das die Größe der Queen-Beerdigung rechtfertigt
Es gibt keine Möglichkeiten das zu trennen und somit kein Szenario, dass diese Schauspiel rechtfertigt: Entweder separiert man Elizabeth von der britischen Krone und ihren Verbrechen, dann braucht es kein 10-Tage-Begräbnis oder man stellt diese Verbindung her – und dann verbietet sich eigentlich die Begeisterung für dieses Event; beim Publikum und bei den Fernsehmachern.
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Die haben somit neun Stunden kostbare Sendezeit einfach weggeworfen. Neun Stunden, die man den wichtigen Themen unserer Zeit widmen könnte: Da wäre etwa das drängendste Problem unserer Zeit: Die Klimakrise, die vor allem die Länder des Globalen Südens schon jetzt mit voller Härte trifft, aber auch in Deutschland immer stärker zu spüren ist. Doch dafür gibt es mit viel Glück einen Brennpunkt pro Sommer. Neun Stunden Dauerbeschallung gibt es nur für den Tod einer Frau, bei der man eigentlich nicht genau weiß, wer sie war: „Mummy“ oder Kolonialherrin.
Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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