Haben Sie auch eine nutzlose Begabung? Was meine Ohren alles erkennen und warum mir das gar nichts bringt
Wenn man in Fernsehen, Radio, Kino oder Hörspiel ein Faible für Stimmen hat, kann das manchmal auch irritierend sein.

Was manche Menschen draufhaben, darüber kann man nur staunen. Die eine navigiert ein Kanu zentimetergenau durch einen tosenden olympischen Wildwasserkanal in Tokio, der andere schlägt im Sinfonieorchester die Pauke im exakt richtigen Moment. Wiederum andere antworten bei Günther Jauchs Millionen-Show ganz souverän auf die Frage: „Wer muss beim Urlaub im Schwarzwald grundsätzlich die sogenannte Zwei-Meter-Regel beachten?“ Und noch andere lösen ein Sudoku der höchsten Schwierigkeitsstufe, als sei es ein Zündkerzenwechsel bei einer S50 von Simson.
Günther Oettinger und Heinz Florian Oertel sind leicht zu erkennen
Ich hab's nur mit Stimmen. Ich weiß einfach, wer da spricht. Ich muss niemanden sehen, die Stimme ist für mich Ausweis genug. Natürlich meine ich nicht so einfach wiederzuerkennende wie die des ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, des TV-Tausendsassas Thomas Gottschalk oder einst die des DDR-Sport-Moderators Heinz Florian Oertel.
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Nein, ich erhöre mir auch den Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, bei seinen ersten drei Worten im Radio (und muss dann sofort an seine Nackt-Wahlwerbung im Berlin der 90er denken). Oder die Stimme von Hauptmann Fuchs. Wenn der bereits verstorbene Schauspieler Peter Borgelt aus dem Nebenzimmer brummt, weiß ich, da läuft ein alter „Polizeiruf 110“.
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Genau wie ich bei der ARD-Bundesligakonferenz im RBB-Inforadio Armin Lehmann, Edgar Endres und Co. sofort identifizieren kann. Noch leichter ist es bei der Fußball-Konkurrenz im ZDF: Béla Réthy muss nur Luft holen und schon hab ich ihn. Für all das brauche ich keine Attribute wie rauh, knarzig oder markant. Meine Ohren machen es einfach. Selbst meine Mutter weiß nicht, ob es so etwas in unserer weit verzweigten Familie schon jemals gab.
Mächtig gewaltige Misstöne bei Yvonne von der Olsenbande
Diese sinnlose Begabung verursacht mir allerdings auch allerlei Unannehmlichkeiten, beispielsweise wenn zu Weihnachten Olsenbanden-Streiche wiederholt werden, in denen Yvonne nicht von Margit Bendokat oder Helga Hahnemann synchronisiert wird. Da habe ich das Gefühl, die Fernsehleute haben den falschen Ton angestellt. Oder Yvonne ist krank. Und die Komödie ist mir verhagelt.
Noch bitterer wird es bei einem Film mit Gérard Depardieu, in dem der große Franzose nicht vom Berliner Manfred Lehmann (Haben Sie es noch im Ohr, sein „... auf alles, außer Tiernahrung“?) gesprochen wird. Es will mir dann scheinen, als trete im Film ein Double-Depardieu auf. Noch schlimmer für mich: Manfred Lehmann synchronisiert Bruce Willis und ich denke, was macht denn Depardieu in diesem Action-Thriller? Dann schalte ich aus.

Verwirrend auch, wenn in einem alten Pater-Brown-Hörspiel plötzlich Dr. Kaminski aus der Fernsehserie „In aller Freundschaft“ auftaucht. So hört es sich für mich zumindest an, wenn der Berliner Schauspieler Udo Schenk einen Freund des Paters spricht. Auch sein Ex-Chef aus der Sachsenklinik, Prof. Simoni (Dieter Bellmann), begegnete mir schon überraschend in Hörspielen, etwa in Geschichten von Agatha Christie. Ein bisschen gruselig.
Manchmal überfalle ich meine Mitmenschen mit der Frage, ob sie denn auch wüssten, wessen Stimme jetzt in diesem Film oder jener Radiosendung gerade zu hören ist. Meist sind sie leider ahnungslos. Und finden mich etwas großspurig. Deshalb wünsche ich mir Konkurrenz und eine TV-Show: „Hörst Du, wer da spricht?“
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com