Mama bekommt am Muttertag von den lieben Kleinen das Frühstück mit Blumen ans Bett. Ein Bild, das die Reklame uns bis heute so vermittelt.
Mama bekommt am Muttertag von den lieben Kleinen das Frühstück mit Blumen ans Bett. Ein Bild, das die Reklame uns bis heute so vermittelt. Detlef Heese/epd

Gerade habe ich mit einer ehemaligen Kollegin telefoniert, die nun in Hamburg lebt. Wir sprachen über den Muttertag. Sie erzählte mir, wie sie als Kind mit ihren Geschwistern diesen Tag im einstigen Westen zelebrierte. Mit Frühstückmachen, Mutti mit Blumen und selbstgefertigten Geschenken überraschen und ihr beim Abwasch helfen. Nun wollte meine Kollegin wissen, wie es bei uns in der DDR so war. Ich sagte spontan: „Den Muttertag kannten wir im Osten nur aus dem Westfernsehen!“

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Klar, wer ARD und ZDF im Osten empfangen konnte, erlebte schon damals, wie Firmen den Muttertag ausnutzten, um Kasse zu machen. In guter Erinnerung ist mir eine Kaffee-Reklame geblieben. In dem Spot sagt ein Ehemann ganz vorwurfsvoll zu seiner Frau, dass man mit ihrem Kaffee so nicht den Muttertag feiern könne. Zum Glück gab es eine Frau Sommer, die mit der „Krönung“ kam. Der Muttertag im Westen war gerettet.

Die bekloppte Werbung erinnerte mich als Ost-Kind daran, wann wieder im Mai Muttertag war. Denn in der DDR war er tabu. Begründet wurde das auch damit, dass in der Nazizeit der Muttertag eine sehr propagandistische Bedeutung hatte, Frauen das Mutterkreuz erhielten, weil sie dem Führer viele Kinder schenkten. An diese Tradition wollte die DDR verständlicherweise nicht anknüpfen.

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Dafür gab es am 8. März den Frauentag, wo in den Betrieben die Frauen mit Rotkäppchen-Sekt und Weinbrandbohnen kräftig gefeiert wurden. Dabei sollte offiziell schon die werktätige Frau dafür geehrt werden, dass sie neben ihrem Beruf noch für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig war. Eine Doppelbelastung, die im realsozialistischen Alltag kaum Anerkennung fand.

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Muttertag: Das Ansehen der Mütter war auch der DDR wichtig

Skulptur aus Muschelkalk „Mutter mit zwei Kindern“ von Käthe Kollwitz (1937/1951), sie steht in der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg.
Skulptur aus Muschelkalk „Mutter mit zwei Kindern“ von Käthe Kollwitz (1937/1951), sie steht in der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg. CC BY-SA 3.0/SpreeTom

Doch das Ansehen der Mutter war auch in der DDR wichtig. Ich erinnere mich, wie wir in der Schule die Werke der Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867–1945) durchnahmen, die in ihren Werken Mütter abbildete, die mit kräftigen Händen ihre Kinder beschützten. Eine dieser Skulpturen steht in Prenzlauer Berg.

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Trotz Tabu: Der Muttertag wurde in der DDR in so einigen Familien heimlich gefeiert – auch bei uns. Natürlich war ich als Kind an diesem Tag brav, hatte zuvor am Freitag mithilfe meines Vaters einen Blumenstrauß besorgt. Das war nicht einfach. Zwar hatten sich die Händler auf den Muttertag eingerichtet, doch Blumen waren wie eh und je Mangelware. Mit etwas Glück gab es Tulpen. Selbst, wenn ich im schlimmsten Fall mit roten Arbeiternelken ankam, freute sich meine Mutter darüber. Und auch, dass ich ihr beim Abwasch half.

Muttertag: In der DDR tabu, dennoch wurde er heimlich gefeiert

Die Mutter des Autoren als Kindergärtnerin bei einer Faschingsfeier: Das Bild entstand 1973.
Die Mutter des Autoren als Kindergärtnerin bei einer Faschingsfeier: Das Bild entstand 1973. privat/Norbert Koch-Klaucke

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Nun meinen Experten heute, man müsse den Muttertag abschaffen. Schwachsinn! Für mich ist er weiter wichtig. Denn wir haben unseren Müttern viel zu verdanken. Als ich zur Welt kam, hatte meine Mama beispielsweise ihren Beruf als Krankenschwester aufgegeben, den sie sehr liebte, um nur für mich als kleines Kind da zu sein. Später war sie Kindergärtnerin, half ehrenamtlich der Gemeindeschwester bei ihren Besuchen bei pflegebedürftigen Menschen.

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Meine Mutter war für andere und für mich stets da. Selbst wenn es mal strenge Worte gab: Sie schenkte mir immer ihre Liebe und Fürsorge. Als Kind weiß man das nicht so zu schätzen. Erst wenn man selber eine Familie hat, wird klar, was eine Mutter geleistet hat. Dafür liebe ich sie  – nicht nur am Muttertag. Danke Mama – für alles! Schade, dass ich es ihr zu Lebzeiten nicht so oft gesagt habe.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com