Kolumne „Wir von hier“
Mitgefühl mit einer alten Dame – eine Nachlese
Unsere Autorin erntete für einen Text über Schwierigkeiten von Senioren am Bankautomaten Schelte und Zustimmung.

Vor einer Woche schrieb ich an dieser Stelle über die Sorgen einer alten Dame, die ich an einem Bankautomaten getroffen hatte. Weil sie offensichtlich Schwierigkeiten dabei hatte, ihren Kontostand elektronisch abzurufen, bot ich meine Hilfe an. Sie nahm sie an und wir konnten nach Eingabe ihrer PIN gemeinsam ihre Probleme lösen. Daraufhin schrieben mir viele Leser, schilderten ihre Sicht auf die zunehmende Digitalisierung des Alltags und ihr Unbehagen darüber.
Zunächst aber gab es Schelte für mich. Eine Leserin, mit der ich bereits häufiger Kontakt hatte, urteilte streng: „Die alte Dame aus der Bank sollte in einem Seniorentreff mal einen Kurs machen und auf jeden Fall vorsichtiger sein, wenn es um ihre PIN geht. Leider sind nicht alle hilfsbereiten Menschen auch immer so ehrliche Gemüter wie Du“. Wumms, das hat gesessen!
Denn daran hatte ich in meiner Betrachtung nicht gedacht, dass Menschen, die bei ihren Bankgeschäften auf Unterstützung Fremder angewiesen sind, immer auch Opfer von herzlosen Gaunern werden können. Eine Situation, wie von der alten Dame und mir erlebt, öffnet Betrügern leider viele Möglichkeiten. Und was sie alles anstellen, um an das mühsam zusammengesparte Geld vertrauensseliger älterer Menschen zu kommen – darüber berichtet der KURIER allenthalben.
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Hilflos an der DHL-Packstation
Eine Leserin schrieb mir über die digitalen Hürden in ihrem Leben: „Ich besitze ... ein stinknormales Handy mit Prepaidkarte, weil ich mir mehr nicht leisten kann und auch nicht brauche ... Arztrezepte auf dem Handy – geht bei mir nicht ... Kat-Warnungen gehen bei mir nicht .... ich habe keine finanziellen Mittel um jeden Monat 20 Euro auszugeben, um einen ständigen Internetzugang zu haben!!!! An DHL-Packstationen stehe ich, je nach Ausstattungsgrad manchmal vollkommen hilflos und weiß nicht, wie ich an mein Paket kommen kann.“
Regelrecht ungehalten lesen sich die Zeilen einer weiteren Leserin: „Neulich war ich das 1. Mal mit solch einem ‚Ungetüm‘ konfrontiert ... Überweisung richtig eingelegt, aber irgendwie kam ich ... nicht weiter und bat am Schalter eine junge Dame um Hilfe – und was soll ich sagen: Sie legte das Überweisungspapier falsch rum in den Einzug und wurde regelrecht pampig, als ich sie drauf hinwies. Es ging dann so ähnlich weiter.“ Ihren Erfahrungsbericht beendete die Frau mit den Worten: „Ich bin 76 Jahre alt, noch fit. Im Verstehen und Bedienen des Internets hab ich nur selten Probleme.“ Aber Internetbanking mache sie nicht, dauernd in Habachtstellung sein zu müssen wegen „pishing“ und „fishing“ – das sei ihr zu „heikel und anstrengend“.
Kopfschmerzen und schlaflose Nächte wegen des Sohnes
Sehr berührt hat mich der Brief einer Frau, die über ihre Angst um die Zukunft ihres Sohnes schrieb: „Auch Menschen mit Behinderungen, geistigen Einschränkungen, ja sogar ich tue mich mit meinen 39 Jahren schwer. Ich gehöre selbst noch zur Generation, die alles mit Papier und Ordnern handhabt und E-Rezepte und digitale Akten sind mir ein Graus.“ Und sie fügte hinzu: „Ich hab einen Sohn mit Lernschwierigkeiten. Er wird 18 Jahre alt, aber selbst einfache Dinge bereiten ihm manchmal Kopfweh. Wie er alleine mit solchen (digitalisierten) Dingen klar kommen soll, bereitet mir mitunter auch schon Kopfschmerzen und schlaflose Nächte.“ Die Frau formulierte auch klar ihre Forderung: „Jeder sollte selber immer wählen können und nicht zur Digitalisierung gezwungen werden.“ Sie wünsche sich sehr, dass das von Banken, Krankenkassen und der Politik mehr berücksichtigt werde. „Denn nicht jeder Mensch kommt mit Technik klar beziehungsweise ist dafür gemacht.“
Banken immer kundenunfreundlicher?
Ein anderer Leser geriet gar in Rage ob meiner Beobachtungen: „Einfach nur wahr ... Supermärkte schaffen stückweise die ‚menschliche‘ Kasse ab, Banken immer kundenunfreundlicher, dafür immer weiter steigende Gebühren ... etc. Kenne das live aus der Familie und helfe gern, bin aber eben auch nicht immer in Minuten da. Und das bei einer immer älter werdenden Bevölkerung. Einfach nur traurig und auch peinlich für diesen Staat.“
All diese Meinungen und verdrossenen Erfahrungsberichte erreichten mich übrigens per Mail oder über die Facebook-Seite vom Berliner KURIER. Sie kamen also von Menschen, denen das Internet mitnichten Neuland ist. Ein Briefkuvert mit handbeschriebenem Bogen und Marke drauf sandte mir niemand ...
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com