Mir schwirrt die Birne. Alles zu viel, alles zu schnell: Wie man sich in all dem Chaos wieder findet.
Schlechte Nachrichten, wohin man schaut, digitales Dauerfeuer und das Gefühl, man kommt nicht mehr mit. Da hilft nur, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Aber wie funktioniert das?

Nach einer morgendlichen Runde auf dem Fahrrad guckt die Zeitung auf dem Rückweg aus dem Briefkasten. „Das wird mir zu viel“ prangt groß auf der Titelseite, und während ich die Treppe hochsteige, denke ich: Ja, kenne ich.
Von allem zu viel. Und nichts richtig. Manchmal fühlt sich das Leben an wie eine einzige Hatz. Spätestens dann ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen und sich auf die Suche nach dem Wesentlichen zu begeben. Wie stellen Sie das an? Ich kenne ein unschlagbares Allheilmittel gegen zu viel stressige Gegenwart.
Überforderte Gesellschaft
Zunächst tut es gut zu wissen, dass man mit dem Gefühl der Überforderung nicht allein ist. 60 Prozent der Deutschen leiden unter dem Druck, verschiedenartige Aufgaben gleichzeitig erledigen zu müssen, 46 Prozent klagen über häufige Arbeitsunterbrechungen, lese ich in dem Artikel. Selbst in der Freizeit empfinden viele Menschen Stress.
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Zwischen all den Möglichkeiten entscheiden müssen, die sich uns bieten, bis hin zu den Krisen, die uns weiter zäh umwabern, sind die Herausforderungen vielfältig.
Soziale Medien stressen und verursachen Druck
Kaum etwas erhöht dabei den Druck so sehr wie die digitalen Medien. Wer hat nicht schon einmal schlechte Laune bekommen, bei all den aufpolierten Urlaubs-Schnipseln und Ausschnitten, die alles abbilden, aber nie die Realität. Geben Sie es zu, auch Sie scrollen abends im Bett noch einmal durch die News-Feeds und ärgern sich anschließend über die vertane Zeit.
Konsumieren allein macht nämlich nicht glücklich. Erst das Gefühl, etwas bewirken zu können, lässt uns zufrieden sein. Die schnelle Belohnung in den Sozialen Medien aber ist wie Süßigkeiten, man will immer mehr und endet mit verklebten Fingern und Magendrücken.

Nie war es also nötiger als jetzt, auf sich und seine psychische Gesundheit aufzupassen. Welche Nachrichten konsumiere ich, wann ist abschalten okay, was darf in meinen Kopf und was fliegt gleich wieder raus?
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Mein Allheilmittel gegen den ganzen Klebekram, das immer funktioniert, ist Gartenarbeit. Nirgendwo sonst, als mit den Händen in der Erde, kann ich so gut abschalten. Den ganzen großen Kreislauf der Natur ständig vor Augen, mit all den verwesenden Blättern, aus denen neues Leben wird, tritt das aufgeregte Dauerfeuer in den Netzwerken und im TV in wohltuende Ferne. Es wird herrlich unscharf, am Ende eines Gartentages, an dem ich Regenwürmer sah, Meisen picken, Asseln sich kugeln, Astern sich neigen, ist mir das Geseier der Poser und die weltweite Nachrichtenlage ziemlich wurscht.
Gartenarbeit ist wie Meditation
Es gibt da ein wunderbares kleines Buch, erschienen im Insel-Verlag. „Herrmann Hesse Freude am Garten“ heißt die Sammlung von Texten des bekennenden Gartenfreundes Hesse. „Die Beschäftigung mit Erde und Pflanzen kann der Seele eine ähnliche Entlastung und Ruhe geben wie die Meditation“, steht auf dem Klappentext. Würde ich sofort unterschreiben.
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Wer also im Alltag oft mit dem Weitwinkel auf die Dinge blickt und alle Welt in seinen Tag lässt und in die Nächte, all die Katastrophen in fernen Ländern, die Katastrophen in der Zukunft, die Katastrophen in der Vergangenheit, dem sei geraten, ab und zu auf die Makro-Ansicht umzuschalten. Mit dem Fokus auf kleine, schöne Dinge, Natur und Menschen, die um uns sind, stellt sich ein gesünderes Gleichgewicht ein.
Wenn mir die Birne schwirrt und der Kopf platzt, dann gehe ich in Gedanken zu der jungen Eiche, die sich auf unserem Komposthaufen einfach selber ihren Platz gesucht hat. Heute ist sie doppelt so groß wie ich und noch biegsam. Der Gedanke, dass sie in 100 Jahren als stattlicher Baum Schatten spenden wird, gefällt mir. Uns und unsere Albernheiten gibt es dann nicht mehr.
Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Berlins Kieze und den Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com