Mein Nachbar, der Neu-Rentner kann sich nun, wann immer er möchte, auf eine Blumenwiese legen und träumen.
Mein Nachbar, der Neu-Rentner kann sich nun, wann immer er möchte, auf eine Blumenwiese legen und träumen. imago/Westend61

Liebe Leserinnen und Liebe Leser, plötzlich nichts tun – wie bereitet man sich eigentlich aufs Rentenalter vor? Vorgestern hatte ich morgens eine Stunde mehr Zeit und ging deshalb eine Extrarunde mit dem Hund. Als wir zurückkamen, begegneten wir unserem Nachbarn. Für einen Moment suchte ich den Fehler und fand ihn schnell: Zu dieser Zeit? Noch nicht mal rasiert? Im T-Shirt und mit einer Brötchentüte in der Hand?

Wie bereitet man sich eigentlich richtig auf den Ruhestand vor?

Ich bin es gewohnt, dass er pünktlich um 7.15 Uhr eilig und gut duftend das Haus verlässt. Meine Verblüffung stieg, als er mich ansprach. Das hatte er noch nie getan. Ob wir Corona gut überstanden hätten und wie alt der Hund jetzt sei, wollte er freundlich lächelnd wissen. Und schon kamen wir ins Gespräch.

Herr Müller (ich nenne ihn mal so) erzählte, dass er seit drei Wochen Rentner sei. Mein erster Gedanke: Was macht er jetzt eigentlich mit seinen ganzen Krawatten? Aber dann ging es mir doch zu Herzen, als er erzählte, wie schnell so ein Abschied nach 45 Jahren Arbeitsleben geht. Das Türschild mit dem Namen des Nachfolgers war schon angebracht, eine kurze Rede des Vorstandchefs, ein Blumenstrauß und ein paar gute Worte auf den Weg ins „beneidenswerte Rentnerdasein“. In Herrn Müllers Schilderung lag viel Bitterkeit.

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Ich weiß nicht, ob er mir leid tat, denn gegenwärtig wünsche ich mir manchmal sehr, nichts zu tun. Keine Termine, die drücken wie zu enge Schuhe, jeden Tag ausschlafen, den späten Film im Fernsehen ganz ohne Angst vor dem morgendlichen Weckerklingeln zu schauen, mal wie ein Faultier abhängen …

Alle Veränderungen im Leben feiern wir: Geburten, Schuleinführung, Jugendweihe oder Konfirmation und für die Hochzeit nehmen manche Paare sogar Kredite auf ... Aber das Rentner-Dasein schleicht sich so ins Leben. Endlich Zeit für Hobbys? Herr Müller hatte nur seine Arbeit von früh bis spät. Vielleicht sollte eine findige Eventagentur Renten-Welcome-Partys organisieren? Mit Tanz oder Abenteuerwandern oder Heimwerkerseminaren oder Escape-Room für Senioren?

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Das wäre doch mal eine Idee – findet Ihre Sabine Stickforth

KURIER-Autorin Sabine Stickforth schreibt regelmäßig im KURIER über das Leben über 50 in Berlin.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com