Kurz nach Mitternacht am Brandenburger Tor: Die egalsten Minuten im deutschen Fernsehen
Ein großer Fan der ZDF-Silvesterfeier ist unser Autor nicht. Ein kleines Lob hat er aber übrig.

Ich muss mich nicht outen, denn das habe ich schon im letzten Jahr getan: Ein wirklich großer Fan der großen ZDF-Silvester-Sause am Brandenburger Tor bin ich nicht. Ich habe es für mich als ziemlich vorhersehbares Trauerspiel abgespeichert, dass für alle Beteiligten – die Zuschauer, die Moderatoren, die Acts – irgendwie unzufriedenstellend ist.
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Wie die allermeisten anderen Silvesterfeiern, die abseits der Kameras stattfinden, erfüllt die ZDF-Show nie die Erwartungen, die im Vorfeld an sie gestellt werden. Doch es gibt auf jeder Feier einen Moment, der dann doch irgendwie besonders ist: Um Mitternacht, wenn man sich gegenseitig erst mechanisch ein „frohes neues Jahr“ wünscht, es aber mit jedem Aussprechen, ein bisschen mehr fühlt und immer mehr Hoffnungen, Träume und Wünsche hineinlegt. Wenn man seine Liebsten an sich drückt, seine Partnerin oder seinen Partner küsst, oder vielleicht den großen Schwarm – und plötzlich alles neu und aufregend erscheint.
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Silvester am Brandenburger Tor: 15 Minuten nach Mitternacht ist alles egal
Tatsächlich sind es genau diese rund 15 Minuten, in denen auch die ZDF-Party am Brandenburger Tor ihren heimlichen Höhepunkt erreicht. Es ist der Moment, wenn all das, was in den Stunden zuvor passiert ist, plötzlich egal wird. Der Moment, wenn von den im Schnitt 3 Millionen TV-Zuschauern, die dem ZDF auch in diesem Jahr wieder den Quotensieg beschert hatten, nur noch ein kleiner Bruchteil vor dem Fernseher sitzt.
Denn dann sind die bedeutungslosesten Minuten im Deutschen Fernsehen angebrochen. Schließlich schalten bei jeder noch so speziellen Sendung auf dem kleinsten Spartensender Menschen bewusst ein, ohne dass es eine Massenabwanderung zu einer bestimmten Uhrzeit gibt.

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Anders bei der ZDF-Silvester-Show: Hier weiß man seit Jahren, dass in der ersten Viertelstunde nach Mitternacht kaum einer die Augen auf dem Fernseher hat. Man küsst, man umarmt, man telefoniert, man böllert, man tröstet seine Katze, die mit dem Böllern nicht klarkommt, man schenkt Sekt nach oder man schaut in den Himmel, der auch noch dann hell erleuchtet ist, wenn man beim ZDF bereits wieder vom Feuerwerk auf das Moderatoren-Duo umgeschnitten hat.
Silvester am Brandenburger Tor: Wenn alles egal ist, ist es am schönsten
Und das ist sich dieser Situation durchaus bewusst. Auch Andrea Kiewel und Johannes B. Kerner scheinen hier alle Fünfe noch einmal besonders grade zu lassen. Was kommt jetzt nochmal genau? Singt noch jemand? Oh, da ist noch nicht fertig aufgebaut? Dann wird eben mit ein paar Worthülsen überbrückt. Genug Erfahrung haben Kiewel und Kerner, um das problemlos hinzubekommen.
Letztendlich haben sie in den vorangegangenen vier Stunden auch nur Zeit totgeschlagen, bis es endlich Mitternacht wurde. Nur schauten ihnen dabei eben drei Millionen Menschen zu. Und so wirkte die Plauderei der beiden in den ersten Momenten nach Mitternacht mit einem dezimierten Publikum ungleich zwangloser, weniger gewollt und weniger steif. Es war eine angenehme Leichtigkeit – in den egalsten Minuten im deutschen Fernsehen.
Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com.