Kaum zu glauben: Die Stasi erwischte James Bond als Grenzverletzer
Der Autor erzählt von einem Vorfall vor 40 Jahren beim Dreh von „Octopussy“.

Momentan bin ich im James-Bond-Fieber. Vor 60 Jahren erschien mit „Dr. No“ der erste Film der Agentenreihe mit Sean Connery, für mich der einzig wahre 007. Aufgrund des Jubiläums sitze ich nun vor der Glotze und schaue mir wieder die Klassiker an. Zu meinen Favoriten gehört allerdings „Octopussy“ mit Roger Moore. Nicht wegen der Handlung, sondern wegen der aberwitzigen Drumherum-Geschichte. Da hatte doch tatsächlich die Stasi 007 im Visier, als der Film vor genau 40 Jahren gedreht wurde!
Erstmalig in einem James-Bond-Streifen spielt ein Teil der Handlung in der DDR. Natürlich wurden die Szenen nicht im Osten Deutschlands gedreht. Die Geschehnisse, die in Karl-Marx-Stadt auf einem Bahnhof passieren, werden in England gefilmt. Doch beim Dreh der Szene, die die Einreise von 007 in einem Mercedes nach Ost-Berlin zeigt, da kommt James Bond der DDR gefährlich nahe.
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Sie entsteht am 10. August 1982 nämlich am Alliierten-Grenzübergang Checkpoint-Charlie. „Ocotpussy“-Regisseur John Glen wollte die Szene unbedingt an dem Originalschauplatz drehen. An dem Ort, an dem bereits viele Fluchten von Ost nach West geschahen und der daher auch unter der Beobachtung der Stasi stand.
Und Mielkes Leute fotografierten und notierten mit. Dank ihnen wissen wir heute, was bei den Dreharbeiten zu diesem Film alles geschah, die an diesem Tag, laut achtseitigem Stasi-Protokoll, von 9.33 bis 13.34 Uhr dauerten.
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Sie vermerken: Die Film-Crew stellt ein zweites Sektorenschild auf, ein schwarzer Mercedes mit dem Kennzeichen B-JH 375, in dem drei männliche Personen sitzen (einer davon ist Roger Moore) fährt ständig auf den Grenzzugang zu, hält, und dreht wieder ab.
James Bond bekommen Mielkes Spitzel nicht zu sehen. Dafür aber „M“, der MI6-Geheimdienstchef von 007, gespielt von Robert Brown. Denn er ist es, der bei den ständigen Halts des Autos aus dem Mercedes steigt und zu James Bond sagt: „Vergessen Sie nicht, 007. Sie sind jetzt ganz auf sich gestellt.“ Dabei wird er von der Stasi fotografiert. Die Bilder sind ebenfalls in dem MfS-Bericht zu finden, der erst vergangenes Jahr veröffentlicht wurde.
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Stasi-Spitzel haben 007 bei Dreharbeiten im Visier
Darin steht auch das einzige „besondere Vorkommnis“ bei den Dreharbeiten. Während der Zuschauer später im Kino sieht, wie Bond und sein Begleiter mit dem Mercedes den Grenzübergang passiert und nach Ost-Berlin weiter fährt, wendet in Wahrheit das Auto am Checkpoint Charlie. Und da passiert es! „Beim Wenden verletzte das Fahrzeug viermal die Staatsgrenze um zirka 4 bis 5 Meter.“
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Deutlich ist auf einem Stasi-Foto zu sehen, wie das Auto mit 007 über die weiße Grenzlinie fährt und damit DDR-Gebiet illegal berührt. James Bond ein Grenzverletzer! Doch die DDR-Grenzer lassen es geschehen.
Schade, dass man „Octopussy“ nicht in den DDR-Kinos sehen durfte. Denn die 007-Filme waren für alle im Osten tabu. Mit einer Ausnahme: Erich Honecker, so heißt es, soll die Filme in Wandlitz mit Begeisterung gesehen haben. Na, Honi wird bestimmt seinen Spaß gehabt haben, wenn er dann noch von Stasi-Chef Mielke erfuhr, dass sein Lieblingsheld illegal in die DDR eingereist war.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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