Netflix-Hit „Inventing Anna“: Warum ich ein Fan der deutschen Fake-Erbin Anna Sorokin bin
Die Serie ist aktuell ein großer Hit auf Netflix. Und während einige sich fragen, ob man der Figur diesen Raum nehmen muss, ist unser Kolumnist von der Geschichte einfach nur fasziniert.

Diese Serie ist beim Streaming-Anbieter Netflix seit einigen Wochen stets ganz oben in den Charts zu finden: „Inventing Anna“ erzählt, wie Anna Sorokin, eine junge Frau, die als Jugendliche aus Russland nach Deutschland kam und schon bald in die USA weiterzog, und dort als Anna Delvey einen Platz in der High Society beanspruchte. Auch der KURIER hatte in der Vergangenheit über dieses Fall berichtet – und ich muss zugeben: Ich bin ein Fan.
„Inventing Anna“: Die Serie über Anna Sorokin, die gerne Anna Delvey wäre
Als angekündigt wurde, dass die Geschichte von Anna Sorokin verfilmt wird und die 31-Jährige auch noch 320.000 Dollar für die Rechte an der Geschichte bekommen sollte, gab es schnell Widerstand. Wie könne es denn sein, dass die Geschichte einer Frau erzählt wird, die so viele Menschen übers Ohr gehauen hat?
Alle KURIER-Kolumnen finden Sie auf unserer Kolumnen-Seite! >>
Tatsächlich wurde Anna Sorokin 2019 wegen schweren Diebstahls, Überweisungsbetrugs, betrügerischen Kreditanträgen und Nichtbegleichung von Rechnungen verurteilt. Ihre Opfer waren jedoch nur in den seltensten Fällen normalverdienende Privatpersonen. Vielmehr waren es Hotels, Banken, Superreiche, denen sie das Geld aus der Tasche zog – um endlich selbst welches zu verdienen.
Meistgelesen
Forscher finden DAS heraus
Studie enthüllt: Wer in diesem Alter in Rente geht, stirbt früher
Blick in die Sterne
Horoskop fürs Wochenende: 23. und 24. September 2023 – für alle Sternzeichen
Chef gegen Assistenten
Trainer-Zoff vorm Spiel in Kiel bei Hertha BSC: Es geht um Dardai
Stromfresser oder nicht?
Wie teuer ist es wirklich, wenn das Ladekabel in der Steckdose bleibt?
Horror-Ende einer Reise
Fahrer stellt Reisebus mit Senioren auf Parkplatz ab und geht

Jetzt auch lesen: Anna Sorokin soll laut Medienbericht nach Deutschland abgeschoben werden – die reagiert mit Spott >>
Den das war das erklärte Ziel von Anna Sorokin – oder eben der vermeintlichen Millionen-Erbin Anna Delvey. Sie hatte vor, die Anna Delvey Foundation zu gründen, eine Art privaten Mitgliederclub mit Kunststiftung und die sollte im Church Missions House ihr Zentrum haben. Dass Anna damit reich hätte werden können, zeigt allein wie viele Investoren bereit waren, sich an dem Projekt zu beteiligen.
Inventing Anna: Anna Sorokin ist klug und bewegt sich mühelos in den besseren Kreisen
Die Netflix-Serie zeichnet ein Bild von Anna Sorokin, das dem zahlreicher Artikel und Dokus entspricht: Das einer klugen, strukturierten Frau, die sich nahezu problemlos in den gehobenen Kreisen New Yorks bewegt und sich mühelos das Wissen und die Gepflogenheiten aneignet, um in ihr zu bestehen. Das ist beeindruckend.
So sehr ich mich aber als Fan oute, möchte Anna Sorokin doch nicht zu einer Art Robin Hood verklären, denn das ist sie nicht. Vielmehr hält sie eher unfreiwillig der High Society einen Spiegel vor. Sie zeigt, wie oberflächlich es dort zugeht, was für unvorstellbare Summen dort bewegt werden – und sie zeigt auf einem ziemlich abgehobenen Level sehr deutlich, dass soziale Klassen in unserer Gesellschaft noch immer eine große Rolle spielen.
Lesen Sie auch diese Kolumne: Das neue GNTM: Diversität ist kein Selbstzweck, Werbern geht es ums Geld verdienen >>

Lesen Sie auch diese Kolumne: „Star Wars“: Wenn der Lieblingsfilm immer neue Geschichten bekommt, ist das schön aber auch risikoreich >>
Denn Anna Sorokin ist als Stiftungsgründerin Anna Delvey nicht daran gescheitert, dass sie keine Vision hatte, keine Ahnung von der Fundraising, Marketing oder Kunst hatte. Sie war klug, offen und geschäftstüchtig. Das einzige, was Anna Sorokin zum Erfolg fehlte, waren die reichen Eltern, die sie einfach erfand. Und so lange ihr geglaubt wurde, standen ihr alle Türen offen.
„Inventing Anna“: Anna Sorokin wollte zur High Society gehören und hält ihr dabei den Spiegel vor
Es war nicht das Ziel von Anna Sorokin der High Society ein Schnippchen zu schlagen. Sie wollte schlicht dazugehören. Dass diese spannende Betrugs-Geschichte am Ende noch diese kapitalismuskritische Pointe hat, macht sie zum perfekten Serienstoff.
Lesen Sie auch: Anna Sorokin: So bedient die Star-Betrügerin ihren Instagram-Account aus dem Abschiebe-Knast >>
Zumal Anna Sorokin längst nicht die erste Betrügerin ist, die es zu Ruhm in der Popkultur bringt. Das Leben von Jordan Belfort wurde in „The Wolf of Wall Street“ verfilmt, heute macht er Geld damit, seine Geschichte immer und immer wieder zu erzählen. Frank Abagnales Geschichte schaffte es als „Catch Me If You Can“ nicht nur ins Kino sondern auch auf die Musical-Bühne. Nun spielt eben Julia Garner die Hauptrolle und nicht Leonardo DiCaprio – und sie macht es großartig.
Von den 320.000 Dollar Netflix-Rechten hat Anna Sorokin übrigens nie einen Cent gesehen. Das Geld ging für Anwälte, Gerichtskosten und die Entschädigung ihrer Opfer drauf. Nachdem sie zwischenzeitlich frei kam, sitzt Anna Sorokin wegen eines abgelaufenen Visums wieder in Haft. Doch auch diese Zeit wird vorbeigehen. Und ich bin schon gespannt, was sie als nächstes vorhat.
Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com.