Kolumne Wir von hier

In Berlin aufs Schulklo gehen? Besser nicht!

Warum unsere Autorin über Ergebnisse einer Studie zu Schultoiletten in der Hauptstadt entsetzt ist.

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Berliner Schultoiletten sind in einer Studie von Schülerinnen und Schülern mit der Note 4,4 bewertet worden. (Symbolfoto)   
Berliner Schultoiletten sind in einer Studie von Schülerinnen und Schülern mit der Note 4,4 bewertet worden. (Symbolfoto) blickwinkel/imago

Heute hat in Berlin die Schule nach den Sommerferien begonnen. Es zieht wieder eine gewisse Regelmäßigkeit in das Leben von Schülern und Eltern ein. Dazu gehört offenbar auch, dass ein Viertel der Schülerinnen und Schüler wieder weniger isst und trinkt als eigentlich gewollt. Warum? Weil sie nicht auf die Schultoilette gehen möchten!

Dieses erschreckende Ergebnis hat gerade eine Studie der German Toilet Organization (GTO) zusammen mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn an weiterführenden Schulen in Berlin ergeben. Für die Untersuchungen wurden neben Lehrkräften 950 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 14 und 16 Jahren befragt. 46 Prozent von ihnen gaben an, das Pinkeln in den sanitären Einrichtungen ihrer Schule zu vermeiden, größere Verrichtungen scheuen sogar 85 Prozent der Befragten. Die Gründe: Gestank, zu wenig Privatsphäre und das Fehlen von Toilettenpapier.

Für die Lage auf dem Lokus gibt es die Schulnote 4,4

Ebenfalls genannt werden in der Studie skurrile Dinge wie nasses Toilettenpapier an der Decke oder aber schlicht Seifenmangel. Zudem empfänden es viele Mädchen als stressig, wenn sie in der Schule ihre Periode haben. Insgesamt gab es von den Befragten für die Lage auf dem Lokus durchschnittlich die miese Schulnote 4,4.

Ich bin entsetzt, obwohl man über diese Zustände schon oft gehört oder gelesen hat. Deshalb frage ich eine Freundin, deren Kinder bislang zur Grundschule gegangen sind, wie sie das beobachtet. Zunächst ist sie des Lobes voll. Ihre Kinder lernten in einem modularen Ergänzungsbau, der zu einer alten Schule gehöre, berichtet sie. Dort seien die Toiletten ziemlich schick, auf jeder Etage je eine für Mädchen und Jungen. Nur der Wasserdruck lasse manchmal zu wünschen übrig.

Erinnerung an Harry Potters Maulende Myrte

Aber in dem alten Schulgebäude, in dem auch Klassen unterrichtet werden, gebe es eine Tür, hinter der sich das Grauen verberge: alte Pappwände, Türen, die nicht schließen, Feuchtigkeit ungewissen Ursprungs auf dem Fußboden. Als die Freundin das schildert, habe ich sofort das Bild vom  Badezimmer der Maulenden Myrte aus der „Harry-Potter“-Filmreihe vor Augen – dieses wird von den Zauberschülerinnen seit Jahren nicht genutzt, wenn auch aus anderen Gründen als dem puren Ekel.  

Toilettenpapier - das ist laut einer Studie an vielen Berliner Schulen Mangelware. 
Toilettenpapier - das ist laut einer Studie an vielen Berliner Schulen Mangelware. imagebroker/imago

Zugleich erinnere ich mich an meine eigene Zeit auf einer weiterführenden Schule, die damals noch EOS hieß. Das Gebäude war ein großer, respekteinflößender Klinkerbau mit hohen Fenstern und breiten Fluren. Nur die Schultoiletten befanden sich in einem kleinen grauen Häuschen auf dem Hof. Im Winter war es dort trotz eines alten Kachelofens arschkalt, manchmal fror auch das Wasser ein.

Papier gab es zwar, aber meistens lagen die Rollen abgewickelt auf dem steinernen Fußboden rum. Im Sommer hingegen waberten einem üble Gerüche schon weit vor dem Eingang der schlichten Baracke entgegen. Dorthin ging man also in allen Jahreszeiten nur im äußersten Notfall und wenn dieser eintrat, blieb man am besten nur ganz kurze Zeit.  

Müssen die Kinder mit Darmgrimmen lernen?

Doch das ist lange her. Wir sind in den 2020er Jahren und unsere Kinder versuchen immer noch, sich eine lange lange Zeit am Tag möglichst ihre Bedürfnisse zu verkneifen. Im Zweifelsfall lernen sie mit Darmgrimmen?

Die Studie war nach Angaben ihrer Initiatoren die erste wissenschaftliche Erhebung zu Schultoiletten in Berliner Schulen. Die Autoren empfehlen für eine Verbesserung der Situation unter anderem mindestens zweimal am Tag eine Reinigung der Anlagen. Und Strukturen für das Melden von Mängeln. Ob dann die Örtchen endlich benutzbarer werden? Der Berliner KURIER wird das im Auge behalten – am 19.  November ist übrigens Welttoilettentag.   

Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com