Ich fahre selber gerne schnell, aber für drängelnde Verkehrs-Rowdys habe ich kein Verständnis

Seit mehr als 30 Jahren fährt Sabine Stickforth mit dem Auto durch Berlin – und wünscht sich mehr Rücksicht.

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Verkehr auf der Frankfurter Allee gen Westen
Verkehr auf der Frankfurter Allee gen WestenImago/Jürgen Ritter

Liebe Leserinnen und Liebe Leser,

ok, ich geb's zu, dass ich gerne mal sehr sehr zügig mit meinem kleinen Mini durch die Stadt brause. Ist ja nun mal eben ein Sportwagen. Auch auf der Autobahn Richtung Hamburg nehme ich nur ungern den Fuß vom Gas. Dabei spüre ich, dass ich die totale Kontrolle über meinen Wagen und die Geschwindigkeit habe.

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Das Fenster auf meiner Seite, einen kleinen Spalt offen, damit ich den Fahrtwind und die Kraft des Motors besser höre. Ja, das berauscht! Wenn ich dann noch die eine oder andere „lahme Ente“ links mit Tempo überhole, bin ich sicher, dass ich auf jeden Fall viel früher ankomme als die. Ich fühle mich siegessicher. Und ganz ehrlich: das Gefühl kann sehr zufrieden machen.

Ärgerlich ist nur, wenn mich ein anderes, PS-stärkeres Fahrzeug überholt. Meistens eine fette dunkle Limousine mit irgend einem Angebertypen am Steuer. Beim  Autofahren macht mir so schnell keiner etwas vor. Denn schließlich habe ich seit 1978 meinen Führerschein. Nur einen kleinen selbstverschuldeten Unfall kurz nach bestandener Fahrschulprüfung, ansonsten: immer unfallfrei.

Ich habe keine Angst vorm Autofahren. Ganz im Gegenteil, wenn ich das Steuer in der Hand halte und den Wagen lenke, ist die Welt für mich an diesem Platz noch in Ordnung. Nur kurz hier mal am Rande erwähnt, weil ich offen und ehrlich bin: als Beifahrerin bin ich eine Katastrophe.

Der Verkehr in Berlin hat sich verändert

Selbstverständlich ist es mir nicht entgangen, dass sich im Laufe der 31 Jahre, die ich hier in Berlin lebe, der Verkehr in dieser Stadt enorm verändert hat. Die Straßen sind randvoll. Im Stau stehen morgens auf dem Weg zur Arbeit oder abends auf dem Weg nach Hause kennt mittlerweile jeder Berliner Verkehrsteilnehmer. Oder einen freien richtigen Parkplatz zu finden, kostet inzwischen viel Zeit. So circa 20 - 30 Minuten (oft länger).

Um die Häuser-Blocks zu fahren auf der Suche, ist völlig normal. Auch im Auto sitzen bleiben auf der Straße und warten, ob vielleicht doch jemand aus einer nahegelegenen Parklücke fährt, ist normaler Berliner Autofahrer Alltag. Wer findet in der Innenstadt schon einen freien Parkplatz vor der Haustür? Es soll sogar schon Streit, Ohrfeigen und Prügelei um einen freien Parkplatz gegeben haben.  Laut, hektisch und mit Aggression beladen geht es auf den Straßen unserer Millionen-Metropole jetzt zu.

In Berlin wird es auf den Straßen immer voller.
In Berlin wird es auf den Straßen immer voller.Imago/Rolf Kremming

Natürlich gerate auch ich in Wut. Z.B. wenn jemand neben mir noch mal schnell bei „Rot“ über die Ampel fährt, obwohl ich schon vorschriftsmäßig halte. Auch wenn ich flott fahre, so sind mir die Worte meines Fahrlehrers von damals noch allgegenwärtig: stets vorausschauend und umsichtig fahren im Straßenverkehr. Zumindest versuche ich das immer noch.

Ich sah einen Rowdy, der einen Fahrschüler bedrängte

So fuhr ich gestern auf der Frankfurter Allee Richtung Strausberger Platz. Auf der linken Fahrspur quälte sich ein verunsicherter Fahrschüler. Man kann die Unsicherheit gut am langsamen Fahrverhalten sehen. Wieder mal ein mittelalter männlicher Fahrer in einem großen schwarzen BMW fuhr dem Fahrschüler sehr dicht auf, drängelte und provozierte sogar mit der Lichthupe.

Das ist doch unfair! Ein Fahrschüler, der das Autofahren gerade erst lernt: Da nimmt man Rücksicht, fährt selber langsamer und mit Abstand. Offenbar hatte dieser Drängel-Rowdy ganz vergessen, dass er selbst auch einmal ein Fahrschüler gewesen ist. Da möchte ich an der nächsten Ampel am liebsten aussteigen und den mal ordentlich an seinem Krawattenkragen schütteln.

Aber halt! Genau so darf man nicht reagieren. Verkehrspsychologen raten, dass man sich nicht provozieren lassen sollte. Durchatmen und ruhig bleiben, eventuell auf Abstand gehen in solch einer Situation. Das ist jetzt so leicht dahin geschrieben. Aber um das Rowdytum auf Berlins überfrachteten Straßen nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, ist das Üben im Ruhigbleiben oder Ruhe bewahren immer öfter notwendig. Ein wenig Einfühlungsvermögen und Rücksicht ist dabei das oberste Gebot im gestressten Verkehrsaufkommen. Eigentlich lehren uns doch die Eltern Rücksichtnahme schon im Kindesalter.

Also versuchen Sie es im anspruchsvollen Berliner Straßenverkehr mit Ruhe und Gelassenheit, wenn Sie mal wieder jemand ärgert.

Sabine Stickforth

Sabine Stickforth schreibt jeden Dienstag im KURIER über das Leben über 50 in Berlin.
Anregungen an wirvonhier@berlinerverlag.com