Hier darf jeder Hund sein Häufchen liegenlassen: Warum lässt Berlin das zu?
KURIER-Autorin Claudia Pietsch kennt jede Menge Geschichten von Menschen, die sich über Hundekacke ärgern

Einst kannte ich einen Hund, der uns alljährlich ein „Frohes Fest“ wünschte. Denn zu Weihnachten schrieb eine geschätzte Nachbarin uns eine herzliche Karte, deren gute Wünsche unterzeichnet waren mit Mutter, Vater, Kind und Jesko. So hieß der Hund der Nachbarin.
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Haben wir uns anfangs in der Familie noch darüber amüsiert, hätte uns in den Folgejahren sicher etwas gefehlt, wenn nicht auch Jesko zu den Unterzeichnern der Weihnachtsgrüße gehört hätte. Seit dieser Beziehung ist mir klar, wie sehr Hunde Mitglieder einer Familie sind. Sozusagen nicht wegzudenken aus dem Kreis der Lieben.
Pötzlich müffelt es fies: Hundekacke klebt am Schuh
Szenenwechsel: Familienausflug an die Havel. Einer aus der Sippe hat Geburtstag, und weil wir nicht den ganzen Nachmittag faul am Kaffeetisch verbringen wollen, machen wir uns auf zu einem Spaziergang. Auf dem Weg zur idyllischen Flussaue müffelt es auf einmal fies.
Alle heben die Füße, schnell stellt sich heraus, der stinkende Brei klebt am Schuh meines Neffen. Er streift die Hundekacke routiniert an Grasnarben und einem Baum ab. Das regt ihn so gar nicht auf, diese Art von Kummer ist er gewöhnt, schließlich wohnt er im Soldiner Kiez in Wedding. Da sind solche „Unfälle“ an der Tagesordnung.
Der Lavendeltopf stinkt nach Hunde-Urin
Noch ein Szenenwechsel: Meine Freundin, die Kosmetikerin, steht am Morgen sorgfältig geschminkt vor ihrem Laden in einer kleinen Straße in Friedrichshain. Zuerst begießt sie den prächtig blühenden Lavendel links von der Tür mit ausreichend Wasser, weil er stinkt wie ein Wiedehopf.
Denn in der vorangegangenen Nacht haben Dutzende Hunde an der Kübelpflanze ihr Bein gehoben. Danach zieht meine Freundin Gummihandschuhe an und beseitigt mittels verschiedener Hilfsmittel Haufen, Häufchen und würstchenähnliche Gebilde unterschiedlicher Konsistenz, die auf dem Bürgersteig rumliegen.
„Was sollen denn meine Kunden denken, wenn es vor dem Laden so riecht und aussieht“, sagt sie. Um dann lakonisch hinterherzuschieben: „Es ist jeden Tag das Gleiche.“
Eine weitere Szene gefällig? Ein Anwohner in meiner Straße in Pankow sät im Frühling eine Blumenwiese auf einem schmalen Streifen am Gehweg. Im Sommer und Herbst wird sie zur Augenweide. Es macht Arbeit, sie zum Wachsen und Gedeihen zu bringen. Sie muss regelmäßig gegossen werden und Abfall muss aufgesammelt werden.
Wie oft soll man es wiederholen? Das ist kein Hundeklo!
Am meisten Mühe aber macht es offensichtlich, in regelmäßigen Abständen das kleine Schild zu erneuern, auf dem steht: „Das ist kein Hundeklo!“
Warum ist unsere Stadt voll von derart übelriechenden Begebenheiten? Fast jeder kann eine solche Geschichte erzählen. Seit Jahrzehnten. Weshalb gibt es Hundehalter, die meinen, sie seien nicht für die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge verantwortlich?

imago/Olaf Wagner
Es gibt ein Bußgeld, aber wer wird schon ertappt?
Wer dabei erwischt wird, in unserer Stadt Hundekot einfach liegenzulassen, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss 35 Euro zahlen. Aber erwischt muss man erstmal werden. Der Senat erläutert in seinem Internetauftritt ausführlich, was ein Hundebesitzer in Berlin alles beachten muss.
Und dem, der sich an alle Regeln hält, verspricht die Landesregierung hoffnungsvoll: „Das Verständnis für Sie und Ihren Hund in unserer Stadt wächst!“ In meiner Welt ist es leider noch nicht so weit.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com