Vergessen Sie für die nächsten anderthalb Minuten einmal alles Postgeschimpfe. Ob berechtigt oder auch nur als aktueller Trend. Egal, ob der Laden immer teurer wird und immer mehr Zeit braucht. Gut, sogar verdammt gut, können die gelben Boten immer noch sein.
Die Geschichte nimmt im November des vergangenen Jahres ihren Anfang. Für eine gute Bekannte in den USA wird das Weihnachtspäckchen geschnürt. Alles, was typisch deutsch ist, von Sauerkraut bis Mon Chéri, fliegt über den großen Teich nach Alabama. Ob das Paket pünktlich zum Weihnachtsfest angekommen ist, ist zunächst nicht bekannt. Internet ist für die fast 90-jährige Frau zu teuer, telefonieren mit ihr ein Glücksspiel. Das sicherste Mittel ist und bleibt der altbekannte Brief. Der war jetzt im Kasten.
55 Millionen Briefe befördert die Post am Tag
Dass ihr Danke für das Päckchen genau dort gelandet ist, das, liebe Postler, ist euer Wunder. 55 Millionen Briefe befördert die Post täglich, im Jahr sind es trotz elektronischer Konkurrenz noch immer stolze 14 Milliarden. Verloren geht auch so einiges. Aber eben dieser eine Brief nicht. Dabei erfüllte er alle Voraussetzungen für die Schublade: unzustellbar.

Wir hatten für unsere Bekannte den Schwierigkeitsgrad erhöht, sind umgezogen. Eine Salvador-Allende-Straße ist für Menschen aus der ehemaligen DDR Straßen-Namen-Kulturgut. Unsere Bekannte gehört nicht zu dem Kreis, schüttelte die Buchstaben und heraus kam Saldordor-Allemanda Str. Aus 15 Buchstaben wurde 18 und ähnlich sind die beiden Versionen doch eher nicht. Damit nicht genug. Aus Ludwigsfelde wurde Lingfelde. Zum Glück war die Postleitzahl richtig.
Das Gefühl, einen ersehnten Brief im Kasten zu finden, ist unbeschreiblich
Aufgefallen ist uns das alles erst beim zweiten oder dritten Mal, als wir den Brief in die Hand nahmen. Zu schön war sein Auftauchen im Kasten. Alles in Ordnung ist seine erste Botschaft, noch bevor man die ersten Zeilen liest. Das schrieb uns unserer Bekannte dann auch, bedankte sich für die vielen Dinge, die sie so lange nicht gesehen hatte, erzählte von ihrem Alltag und schimpfte über so einige Dinge, über die auch wir hier im Alltag meckern
Dass so ein Brief in Zeiten des Post-Bashings ankommt, ist nicht nur ein ganz privates großes Glück. Es zeigt auch, dass bei der Post Menschen am Werk sind, die ihren Job lieben, ihn können und bei kniffligen Dingen auch verstehen, den Umweg bis zum Ziel zu gehen. Deshalb von dieser Stelle: Ganz lieben Dank, ihr Postler, verdammt gut gemacht!
Matthias Fritzsche schreibt heute im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
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