Kolumne „Wir im Osten“

Geht das zu weit? Fans fordern das Ende von Karat

Unser Autor fragt sich, ob wirklich eine Band aufhören muss, weil zwei Musiker nicht mehr dabei sind.

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Da waren sie noch ein Karat-Team;  Christian Liebig,  Martin Becker, Claudius Dreilich, Bernd Römer, Martin Becker und Michael Schwandt.
Da waren sie noch ein Karat-Team; Christian Liebig, Martin Becker, Claudius Dreilich, Bernd Römer, Martin Becker und Michael Schwandt.dpa/Jens Kalaene

Die Liebhaber der ostdeutschen Rockmusik hatten zum Jahreswechsel ganz schön was zu verkraften. Zunächst erlebten wir vor Silvester das letzte Konzert von City und den endgültigen Abschied der Musiker von der Bühne. Und dann kam, kaum hatte das neue Jahr begonnen, der Paukenschlag einer anderen DDR-Kultband. Karat teilte offiziell auf Facebook mit, dass Bassist Christian Liebig und Schlagzeuger Michael Schwandt nicht mehr dabei sind.

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Natürlich schlugen die Wellen in den Fan-Kreisen hoch. Die Munkelei im Vorfeld wurden nun Tatsache. Zwei Musiker, die über Jahrzehnte Karat geprägt hatten, sind plötzlich nicht mehr in der Band. Dass die Fangemeinde sehr emotional reagiert, ist verständlich. Klar findet hier eine Ära ihr Ende. Verständlich ist aber nicht, dass  nun einige Fans fordern, dass Karat aufhören soll, die Band sogar für tot erklären, wie es in einigen Facebook-Kommentaren zu lesen war. Das geht mir persönlich zu weit.

Fans jubeln, Fans leiden: Mit Rockbands ist es wie mit Fußballvereinen

Mit Rockbands ist es wie mit Fußballvereinen. Da jubeln die Fan-Herzen, wenn es Erfolge zu feiern gibt. Da leidet die Fan-Seele bei Niederlagen. Aber das Anhänger eines Klubs die Auflösung ihres Vereins fordern, weil Spieler die Mannschaft verlassen haben, habe ich so noch nie gehört.

Sicher ist es nicht schön, wenn der Ausstieg von zwei gestandenen Musikern ohne Angabe von Gründen geschieht. Da kommt schnell der Verdacht eines Rausschmisses auf. Und da muss sich auch Karat gar nicht wundern, dass Spekulationen wild kursieren. Die Fans haben da schon ein Anrecht auf mehr Transparenz, die schließlich der Band jahrelang die Treue gehalten und viel Geld für Konzerte und Platten ausgegeben haben.

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Karat zeigten sich schon vor dem Weggang ihres Schlagzeugers oft mit einem anderen Trommler (Mitte) 
Karat zeigten sich schon vor dem Weggang ihres Schlagzeugers oft mit einem anderen Trommler (Mitte) Imago/Ulrich Stamm

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Bei meiner Lieblingsband hat da auch keiner lange herumgeredet, warum plötzlich der Schlagzeuger bei AC/DC wegen seiner Drogenprobleme ausgetauscht wurde. Bei KISS dauerte es dagegen schon lange, bis sie erklärten, dass ihre Gründungsmitglieder Ace Frehley und Peter Criss wegen ihres Alkoholkonsums nicht mehr auf der Bühne standen. Aber mir wäre im Traum nie eingefallen, deshalb diesen Bands die Freundschaft zu kündigen.

Der Fan-Wunsch, Karat in die Rockerrente zu schicken, wäre fatal – nicht unbedingt für die Musiker, aber für die Techniker, die von den Konzerten der Band leben. Sie würden plötzlich ohne Job dastehen – und das will ja wohl auch keiner.

Bei Karat haben immer wieder die Mitglieder gewechselt

Übrigens: Bei Karat haben schon so oft die Mitglieder gewechselt (wie Henning Protzmann oder Hans-Joachim „Neumi“ Neumann) und kein Fan hat deshalb den restlichen Band-Mitgliedern die Treue abgeschworen. Und erst recht nicht, als Sänger Herbert Dreilich starb. Da sprach auch keiner vom Ende. Im Gegenteil: Wir waren doch alle froh, dass sein Sohn Claudius Karat am Leben erhielt. Oder als die Dreilich-Witwe der Band den Namen streitig machte, waren wir alle an der Seite der Musiker und hätten sie auch als „K…!“ weiter gesehen und gehört.

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Was die Zukunft auch immer bringen mag: Ich persönlich hoffe, dass Karat wieder erfolgreich weiter macht und Ruhe einkehrt, solange sich der „blaue Planet“ noch dreht. Die ostdeutsche Rockmusik braucht diesen Edelstein.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com