Was darf man heute als Promi überhaupt noch sagen oder tun? Muss man jedes Mal mit einem Shitstorm rechnen? Und wie weit darf man selbst mit seiner Kritik gehen, ohne jemanden an den Pranger zu stellen?
Senna Gammour geht auf Sarah Connor los
Man hat das Gefühl, irgendwann bekommt jeder Promi mal mindestens einen Shitstorm in seinem Leben ab. Es passiert heutzutage einfach zu schnell, dass man irgendetwas sagt, was andere Menschen stört. Die Möglichkeiten, sich kritisch zu äußern, sind so zahlreich wie noch nie. „Schnell mal eben in die Diskussion um die Kindererziehung von Promi XY miteinsteigen und einen Kommentar dazu hinterlassen, dass ICH es ja ganz anders – besser – machen würde und schon fühle ich mich etwas leichter, frustbefreiter.“
Was neuerdings dazu kommt: Auch Promis kritisieren andere Promis und lösen damit eine Debatte aus, an die die Normalbürger bisher vielleicht noch gar nicht gedacht haben. Ein Beispiel: Senna Gammour und der Kopftuch-Zoff mit Sarah Connor. Die ehemalige Monrose-Sängerin hatte sich öffentlich über ein Video echauffiert, in dem Sarah Connor bei einem Konzert ein Handtuch um ihre vom Regen nass gewordenen Haare wickelt. „Oben Hui, unten Pfui“, sagte sie zu den Zuschauern, die laut jubelten. Senna jedoch sah hinter dieser Geste eine Respektlosigkeit gegenüber Frauen mit Hijab. Sarah widersprach diesem Vorwurf und auch ihre Schwester Anna-Maria Ferchichi sowie zahlreiche User gingen auf die Barrikaden. Sennas gut gemeinter Einsatz gegen Diskriminierung ging nach hinten los.

Wie viel Kritik darf öffentlich sein?
Was dieser Fall zeigt: Welch enorme Kraft hinter einem Post wie Sennas steckt. Nicht nur sie erhielt jede Menge Nachrichten von Usern, auch Sarah wurde mit den unterschiedlichsten Meinungen bombardiert. Kann man alles machen, so lange diese Kritiken konstruktiv bleiben. Doch wir alle wissen, dass eben genau das das große Problem ist. Solche Posts rufen leider auch jede Menge Hater auf den Plan. Ganz vermeiden lässt sich das nie. Es ist eigentlich egal, was wir sagen oder nicht sagen, irgendjemand wird es immer hassen. Senna Gammour wird aktuell dafür gehasst, dass sie das Video nicht zurückzieht und ihren „Fehler“ eingesteht. Würde sie das tun, gebe es wohl trotzdem viel Hass, nur in eine andere Richtung.
Meine Meinung dazu: Natürlich kann es sein, dass sich Senna durch eine Szene wie die von Sarah Connor getriggert bzw. verletzt gefühlt hat. Und natürlich könnte sie das auch mitteilen, wenn es sich um ein offensichtliches und beabsichtigtes Fehlverhalten handelt. Bei Sarah Connor ist es aber Auslegungssache. Senna fühlte sich, wie sie sagt, „maximal verwirrt“ von Sarahs Handeln. Das hätte sie der Sängerin vielleicht lieber privat mitgeteilt. Heutzutage wird oft damit argumentiert, dass solch öffentliche Kritik der allgemeinen Aufklärung von grundlegenden Problemen in der Gesellschaft dienen sollen. Unfair wird es aber, wenn harmlose Szenen überinterpretiert und missbraucht werden, um seine eigenen negativen Erlebnisse aufzuarbeiten.
Julia Nothacker schreibt donnerstags über Stars und Sternchen. Kontakt in die Redaktion per E-Mail an: wirvonhier@berlinerverlag.com ■