Fifa-Boss Gianni Infantino gut gelaunt auf der Ehrentribüne beim Spiel England gegen Katar.
Fifa-Boss Gianni Infantino gut gelaunt auf der Ehrentribüne beim Spiel England gegen Katar. Imago/Matthias Koch

Bisher hat es ganz gut geklappt: Ich habe, obwohl ich ein riesiger Fußballfan bin, noch nicht ein einziges Spiel der Fußball-WM in Katar gesehen. Auch Zusammenfassungen der Spiele habe ich mir noch nicht angesehen, die Ergebnisse quittiere ich mit einem Schulterzucken.

Im Vorfeld des Turniers habe ich viel gelesen, mich mit Freunden unterhalten. Darüber, ob man das Turnier boykottieren sollte, und ob es überhaupt etwas bringen würde. Letztendlich habe ich mich aus dem Bauch heraus dafür entscheiden. Und während ich schon mitten dabei bin, stelle ich mir die wichtige Frage: Wen boykottiere ich hier eigentlich genau – und warum?

WM in Katar: Jeden stören unterschiedliche Dinge

Denn fragt man zehn Menschen danach, was genau sie an dem Turnier in Katar stört, wird man wahrscheinlich zehn unterschiedliche Antworten bekommen. Sie reichen von der korrupten Fifa, käuflichen Funktionären und unkritischen Fußballern über menschenrechtliche Problematiken in Bezug auf Arbeitsmigranten oder Homosexuelle, bis hin zu vergleichsweise profanen Themen wie dem Zeitpunkt des Turniers im (europäischen) Winter oder dem Alkoholverbot im Stadion.

Letztere Themen, das hatte ich bereits im Vorfeld gemerkt, mochten mich kaum abschrecken. Wer schon einmal wie ich nüchtern in einem Fußballstadion gewesen ist, wird wissen, dass ist halb so schlimm. Und auch, dass eine WM mal nicht im Juni und Juli stattfinden würde – also im europäischen Sommer – war ohnehin klar. Schließlich ist es allerhöchste Zeit, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass etwas, das für uns Europäer gut ist, nicht automatisch auch für alle anderen gut sein muss. Bleibt man bei der WM im Juli fallen zahlreiche Länder als Austragungsorte weg und andere würden nie eine WM im Sommer erleben.

WM in Katar und die Frage nach der Moral bei der Fifa

Bleiben also die Fragen nach den Menschenrechten und die nach der Moral der Fifa und ihrer Funktionäre – und wie wir nun sehen konnten, sind diese ganz eng miteinander verwoben. Wie viele andere Turniere auch, steht die WM in Katar im Verdacht, dass bei der Vergabe nicht alles mit rechten Dingen abgelaufen ist. Wie beim der WM 2018 in Russland liegt der Vorwurf des Sportswashing nahe, also die schlechte menschenrechtliche Lage im Land durch eine erfolgreiche Sportveranstaltung in den Hintergrund zu drängen. Russlands Machthaber Wladimir Putin ließ sich vor vier Jahren mit Lothar Matthäus ablichten, in Katar ist er ebenfalls WM-Botschafter, genauso wie David Beckham. Letztgenanntem zahlten die Organisatoren 180 Millionen Euro für den Job.

David Beckham wurde von der katarischen Führung als WM-Botschafter eingekauft.
David Beckham wurde von der katarischen Führung als WM-Botschafter eingekauft. Imago/Shutterstock

Dazu kommt die Lage der Arbeitsmigranten in Katar, die bereits seit Jahren unter schlimmsten Bedingungen ihrer Arbeit nachgehen müssen und immer wieder infolge oder direkt bei der Arbeit sterben. Ein positiver Einfluss der Fifa auf deren Lage ist nicht nachweisbar, stattdessen kam es auch auf den Baustellen der WM-Stadien und der dazugehörigen Infrastruktur zu Todesfällen.

WM in Katar: Fifa lässt sich vor den Karren des Regimes spannen

In der Frage der Rechte von Homosexuellen kann gerade die ganze Welt dabei zuschauen, wie sich die Fifa vor den Karren der konservativen katarischen Staatsführung spannen lässt. Jegliches Zeichen der Solidarität mit der LGBTIQ-Community wird verboten, selbst die Kompromiss-Kapitänsbinde mit dem wenig aussagenden „One Love“-Logo darf nicht straflos getragen werden. Für katarische Homosexuelle ist die Rückendeckung für das Regime ein Schlag ins Gesicht.

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Am Ende ist es wohl vor allem die Fifa, die ich boykottiere, weil ihre Strukturen eine Vergabe nach Katar möglich gemacht haben, sie das Turnier veranstaltet und es auf dem Rücken von Menschenrechten gegen jede Kritik verteidigt. Besser wird es übrigens wahrscheinlich nicht. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, wurde die WM 2026 unter fragwürdigen Umständen, bei denen Fifa-Boss Gianni Infantino im Zentrum steht, an die USA vergeben. Einem Land, indem Frauen sukzessive das Recht an ihrem eigenen Körper verlieren und rassistische Polizeigewalt Alltag ist. Zum Glück ist bald wieder Bundesliga.

Domescu Möller schreibt jeden Donnerstag im KURIER über die Welt des Fernsehens.
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