Bastian Pastewka spielt in seinem Podcast „Kein Mucks!“ Krimi-Hörspiele  aus dem vergangenen Jahrhundert. Sie entstanden, als in den Aufnahmestudios noch geraucht und vor dem Mikrofon auch mal mit den Seiten geraschelt wurde. Spannend sind sie auch heute noch.
Bastian Pastewka spielt in seinem Podcast „Kein Mucks!“ Krimi-Hörspiele aus dem vergangenen Jahrhundert. Sie entstanden, als in den Aufnahmestudios noch geraucht und vor dem Mikrofon auch mal mit den Seiten geraschelt wurde. Spannend sind sie auch heute noch. Radio Bremen/Boris Breuer

Krieg in der Ukraine und Kampf um die Deutungshoheit allerorten. In meinem Kopf ist derzeit manchmal so viel los, wie in einer künstlich angeheizten Debatte im ZDF bei Markus Lanz. Alte Gewissheiten bröckeln, neue machen sich rar. Fragen und Antworten stehen in ungesundem Verhältnis zueinander. Man kann nicht soviel denken, wie man möchte.        

Mit Paul Temple in den 50er Jahren ermitteln 

Zeitweise muss ich dem einfach entfliehen. Den Kopf frei kriegen oder ihn mit abseitigen Themen beruhigen.  Schon vor Jahren habe ich in einem kleinen Berliner Buchladen zufällig ein Hörspiel um den Detektiv Paul Temple entdeckt.  Inzwischen lagern seine Fälle, die fast alle in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden, bei mir in einer Truhe. Ein sorgfältig gehüteter CD-Schatz. Die Geschichten, erdacht vom britischen Schriftsteller Francis Durbridge, sind langwierig. Die Hörspiele wurden einst in Fortsetzungen gesendet. Deshalb können schon mal fünf Stunden zusammen kommen, bis Temple den Gauner endlich entlarvt. 

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Es gibt in den Stücken wenig Action, dafür aber viele Dialoge und hintergründigen Humor. Nebenher erzählen die Produktionen von Sir Graham Forbes von Scotland Yard, der manchmal etwas begriffsstutzig scheint, genau wie auch der regelmäßig auftretende Diener Charlie. Passend dazu Temples Frau Steve, kein Heimchen am Herd, aber ihrem überaus cleveren Mann sehr ergeben. Regelmäßig ruft sie aus: „Paul, also was ich nicht begreife ...“ Klassische Rollenklischees aus den Nachkriegsjahren des vergangenen Jahrhunderts. Eigentlich empörend aus heutiger Sicht, aber sooo entspannend.   

Neuer Stoff für Hörspiel-Freunde bei „Kein Mucks!“

Wer solcherart Passion pflegt, braucht allerdings immer wieder Nachschub. Wie ein Junkie seinen Stoff. Kürzlich habe ich in der ARD-Audiothek  „Kein Mucks!“ – einen Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka gefunden. Gerade startete seine vierte Staffel. Darin präsentiert Schauspieler und Komödiant Pastewka  Hörspielkrimi-Oldies aus den Archiven der ARD-Anstalten. Das ist neu in dieser Staffel,  bisher kamen die Fundstücke alle aus den Kellern von Radio Bremen.

Erstaunlich, wie viele der Stimmen in den Hörspielen man kennt, etwa die von Evelyn Hamann, Monica Bleibtreu, Judy Winter oder Günter Strack und Volker Lechtenbrink. Und in einem Stück der Reihe versucht sich Pastewka sogar selbst als der legendäre Detektiv Paul Temple. In einer Neuinszenierung eines verschollen geglaubten Falls. 

Manche der nun in dem Podcast zu hörenden Radio-Hörspiele waren einst  sogenannte Straßenfeger. Wenn sie liefen, versammelte sich die Familie um das Röhrenradio und starrte ins magische Auge. Wer auch nur einen Mucks von sich gab, verscherzte es sich mit den anderen. Jeder Fortsetzung wurde entgegen gefiebert. Vorab herunterladen, wie es heute selbstverständlich ist, konnte sie niemand. Geduld bis zur Auflösung war gefragt.  

Rund um so ein Röhrenradio versammelten sich die Familien in den 50er und 60er Jahren, wenn ein spannendes Krimi-Hörspiel gesendet wurde.&nbsp;
Rund um so ein Röhrenradio versammelten sich die Familien in den 50er und 60er Jahren, wenn ein spannendes Krimi-Hörspiel gesendet wurde.  imago/chromorange

Wenn Pastewka in seiner „Kein Mucks!“ -Reihe über die Dampfradio-Schätzchen, ihre Entstehungsgeschichten und die Stimmen der Schauspieler plaudert, kann man alle aktuellen Sorgen für eine kleine Weile hinter sich lassen. Und gebannt zuhören. Sich an die nebelige Themse versetzen lassen. Sich mit einem Spion im Nachtexpress treffen. Sich von einer unheimlichen Stimme, die nach einer Zigarette fragt, erschrecken lassen. Und einfach mal an nichts anderes denken. 

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com