In vollen Zügen in den Urlaub: Auch das Reisen in der DDR war ein Abenteuer
Überfüllte Waggons wegen 9-Euro-Tickets: Eine Ferienfahrt war auch damals nicht immer ein Vergnügen.

Endlich sind Sommerferien, ab geht es in die Ferne. Mir wird schon jetzt übel, wenn ich daran denke, was da uns allen bevorsteht. Das reinste Chaos, egal ob man mit dem Auto, dem Flugzeug oder mit der Eisenbahn unterwegs ist. Staus auf den Straßen, übervolle Flughäfen und Züge: Letzteres vor allem, weil die Deutschen dank des 9-Euro-Tickets das Reisen mit der Eisenbahn mit den Regionalbahnen quer durchs eigene Land wieder entdeckt haben. Geiz ist geil!
Aber auch in der DDR war die Urlaubsfahrt mit dem Zug das reinste Abenteuer. Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinen Eltern mit der Eisenbahn in den Thüringer Wald fuhr. Da waren auch die sogenannten D-Züge voll. Schließlich hatte damals nicht jeder ein Auto, um ans Ferienziel zu kommen. Hätte mein Vater nicht rechtzeitig Platzkarten besorgt, hätten wir mit unseren Koffern und Rucksäcken auch in den engen Gängen stehen müssen. Ich war jedenfalls froh, den wenigen Platz nicht mit kettenrauchenden oder biertrinkenden Mitfahrern teilen zu müssen.
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Wenn ich jetzt das 9-Euro-Ticket-Chaos sehe, muss ich an diese Zeit zurückdenken. Vor allem, als ich im KURIER las, dass sich vor kurzem eine Frau in einem vollen Regio-Zug sich in die Hosen machen musste, weil kein Klo im Zug funktionierte.

Übervolle Züge gab es auch in der DDR
Ob das auch in den DDR-Zügen passierte – es kann durchaus sein. Denn die Klos in den Waggons der Deutschen Reichsbahn waren eine Zumutung. Der Besuch darauf kostete genauso eine Überwindung, wie das Einnehmen einer Mahlzeit im Mitropa-Restaurant. So eklig, wie es dort war. Am Ende war man schon froh, dass die Toiletten funktionierten, noch Klopapier vorrätig und die Becken nicht verstopft waren. Ich weiß noch, wie auch ich einmal durch einen Zug marschieren musste, weil viele Klos außer Betrieb waren – vor allem in der Ferienzeit.
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Das größte Abenteuer war, in der DDR überhaupt einen Ferienplatz zu bekommen. So einfach ins Reisebüro gehen und einen Trip in die Ferne buchen, ging nicht. Schließlich waren die Reisemöglichkeiten in dem Mauer-Staat recht eingeschränkt.
Wer nicht Monate oder sogar Jahre voraus sein Urlaubsziel sicherte, war angeschmiert. Campingplätze und Ferienwohnungen an der Ostsee waren im Sommer Goldstaub und schnell weg. Über Privat-Anzeigen ging nur etwas mit viel Glück und Preisaufschlag, notfalls in harter Währung.

Am Ende waren wir froh, wenn mein Vater bei der gewerkschaftlich gelenkten FDGB-Reisevergabe seines Betriebes irgendeine Reise abbekam. Die Fahrten zum VEB-eigenen Betriebsferienheim in den Thüringer Wald in den Harz waren auch nicht schlecht. Einmal ging es sogar nach Ungarn – allerdings mit der Eisenbahn. Mit dem Flugzeug nach Budapest zu reisen, wäre für mich schöner gewesen.
Genug in die Vergangenheit geschaut. Jetzt geht es auf zu neuen Reiseabenteuern. Egal, wo Sie ihren Urlaub starten, ob auf vollen Autobahnen, im Gedränge des BER-Abfertigungsterminals oder in vollen Zügen: Mögen Sie wohlbehalten an ihr Ferienziel ankommen. Und erholen Sie sich gut! Denn gute Nerven werden wir alle gebrauchen – spätestens bei der Rückreise.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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