Fuchs, du hast das Telefon gestohlen, gib es wieder her!
Eine fabelhafte Geschichte aus dem städtischen Tierreich Berlins hat unsere Autorin entzückt

An das alte Kinderlied vom Fuchs, der die Gans gestohlen hat, musste ich denken, als ich diese fabelhafte Geschichte aus unserem städtischen Tierreich hörte. Meine Freundin allerdings, die in einer beschaulichen Siedlung am Berliner Stadtrand wohnt, war nicht ganz so entzückt wie ich. Denn ihr widerfuhr die Begebenheit, von der sie mir ganz aufgelöst berichtete.
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Es geschah am helllichten Tag. Besagte Freundin wollte in die Stadt und stellte erstmal ihren Einkaufskorb vor die Hintertür des Hauses, an das sich ein Garten anschließt. Plötzlich, und das kennen Sie sicher, war noch etwas im Keller zu erledigen, jemand rief auf dem Festnetztelefon an und im Wohnzimmer war dann doch noch etwas aufzuräumen. Deshalb blieb der Korb mit leeren Flaschen und einem klassisch übergroßen Damen-Portemonnaie, in dem auch das Handy meiner Freundin steckte, etwa 10 Minuten unbeaufsichtigt vor der Tür.
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Dann machte sich die Freundin zum Einkaufen auf den Weg. Beim Bäcker bemerkte sie, dass im Korb keine Börse mehr war. Großes Theater. Zurück nach Hause. Alles durchsucht. Erfolglos. Schnell kam die bange Frage auf, ob tatsächlich jemand in der kurzen Zeit, in der Korb und Portemonnaie vor der Tür verwaist waren, die Börse geklaut haben könnte.
Das Telefon soll sich zwei Querstraßen weiter befinden
In ihrer Not ob der verlustig gegangenen wichtigen Dinge rief die Köpenicker Freundin einen Bekannten an. Einen IT-tüchtigen Menschen. Er eilte zum Ort des Geschehens. Und kam nach reichlicher Überlegung auf die Idee, das Handy von einem Laptop aus zu orten. Es gelang. Die Technik behauptete steif und fest, das gesuchte Phone befände sich zwei Querstraßen weiter. „Das kann doch nicht sein“, dachte sich meine verzweifelte Freundin.

Dennoch fuhren die beiden zu der vom Laptop angezeigten Adresse. Die verdutzte Bewohnerin eines schmucken Häuschens fragten sie nach dem Handy. Die Frau hielt das Ganze zunächst für einen Spaß, ließ die beiden aber in ihren Garten. Von nun an riefen sie immer wieder die Nummer des verschwundenen Handys an. Und horch, auf einmal erklangen - ganz leise nur- Klingeltöne aus einer verborgenen Ecke des Gartens. Als sich die drei dort einem Komposthaufen näherten, schauten sie unerwartet einem Fuchs in die Augen.
Diesen Blick-Kontakt mochte der kleine Geselle offenbar nicht und verdrückte sich flugs. Doch aus dem Haufen klingelte es anhaltend. Zu sehen war nichts, doch nach kurzem Graben im Mist tauchte sie auf - die vermisste, nun etwas verschmierte Börse samt allen Inhalts. Fassungslos, aber glücklich drückte meine Freundin Handy und Ledertäschchen an sich. Erleichtert schimpfte sie leise: „Verdammter diebischer Reineke“.
Spektakulär an dieser Geschichte findet Derk Ehlert lediglich das Wiederfinden des Telefons. Ansonsten sei die Freundin selbst schuld an diesem Diebstahl, urteilt der Wildtierreferent des Berliner Senats, als ich ihm von der Begebenheit erzähle. „Ein Gegenstand aus Leder ist für den Fuchs ein totes Tier“, erklärt Ehlert, „Aas also“. Der Fuchs wäre kein Fuchs, wenn er die Chance nicht ergreifen und und diese Beute wegschleppen würde.
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„Unsere Füchse haben jetzt Junge und sind pausenlos auf der Jagd nach Nahrung für ihren Nachwuchs“, sagt Ehlert. Immer häufiger auch am Tage, da die Stadtfüchse gelernt hätten, dass Menschen für sie keine Gefahr bedeuten. Bei der Suche nach Fressbarem komme so eine Lederbörse gerade recht. „Gerade wenn sie vielleicht etwas älter ist und oft angefasst wurde, die Salze und Gerüche machen den Fuchs besonders neugierig“, weiß Ehlert.
Dieser Fuchs ist wohl eine Fähe
Deshalb stiehlt er bekannterweise auch gern alte Handschuhe, Latschen und allerlei Gartengerät. „Vielleicht hatte dieser Fuchs, wahrscheinlich war es eine Fähe, gerade ausreichend Nahrung für den Nachwuchs“, rekonstruiert der Wildtierexperte. Deshalb habe sie ihre vermeintliche Beute in dem Haufen vergraben. In schlechten Zeiten würde die Füchsin sie wegen ihres guten Geruchs- und Orientierungssinnes dann auch tatsächlich wiederfinden. Und ihren Irrtum, das Portemonnaie sei etwas Nahrhaftes, wohl erst dann bemerken.
Nach Angaben des Wildtierreferenten leben geschätzt etwa 4000 Füchse in Berlin. Die verbreitete Angst, dass sie Krankheiten auf Menschen übertragen könnten, ist laut Derk Ehlert unberechtigt. Es gebe in Berlin seit Jahren keine Fälle von Tollwut oder Fuchsbandwurm.
Für Aufregung sorgen unsere Stadtfüchse also lediglich hier und da als listige Diebe.
Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com