Kolumne „Wir im Netz“

Frühling in der TikTok-Kirche! Hier blühen schon die Magnolien

Wenn man im März die ersten Blüten sieht, möchte man es am liebsten mit allen teilen. Ein Londoner Pfarrer macht das auch – täglich im Internet.

Author - Jana Hollstein
Teilen
Magnolien gehören zu den sichtbarsten Frühlingsboten.
Magnolien gehören zu den sichtbarsten Frühlingsboten.Oleksandr Ryzhkov/Freepik

Na, haben Sie schon Frühlingsgefühle? Ab morgen soll es ja wieder wärmer werden, meine Übergangsjacke steht schon in den Startlöchern, und wenn die Sonne rauskommt, sieht man am Wegrand schon die Frühblüher blühen. Einen etwas ungewöhnlicheren Frühlingsboten habe ich auf Social Media gefunden: Den Pfarrer einer englischen Kirche.

Auf TikTok teilt ein Londoner Pfarrer seine Frühlingsgefühle

„Es ist der vierte Tag der Magnolia Watch (deutsch etwa: Magnolia-Wache, Anm. d. Red.) und wir haben ein paar aufregende Entwicklungen!“, erzählt ein gutmütig aussehender älterer Herr mit Blick in die Kamera, im Hintergrund läuft Vivaldis „Frühling“. Die aufregenden Entwicklungen, um die es geht? Die Magnolien vor seiner Kirche zeigen erste pinke Färbungen.

Peter Babington ist Pfarrer der anglikanischen Kirche St. Mary le Strand im Herzen Londons und wurde (so heißt es auf der offiziellen Homepage) von der Bischöfin Londons zu St. Mary's berufen, um die Kirche und deren Mission zu erneuern. Ich weiß nicht, ob die Bischöfin dabei im Kopf hatte, dass Babington die Social-Media-Präsenz der Kirche verstärkte – aber beschweren tue ich mich darüber bestimmt nicht.

Dieser TikTok-Kanal ist ein kleines Juwel auf Social Media

Der TikTok-Kanal von St. Mary le Strand ist sicherlich kein großer Account. Im September letzten Jahres begann Babington eine Kampagne, den TikTok-Kanal bis zur 1000-Follower-Marke zu bringen. Bis heute hat er „nur“ 840. Ich selbst bin über den Account wahrscheinlich nur gestolpert, weil ich mir auf TikTok gerne Reisetipps hole (Eine echte Empfehlung übrigens! TikTok hat nicht selten Tipps abseits der Standards) und ich vor Kurzem in London war. Wobei es definitiv einen Aufwärtstrend gibt. Noch im letzten Jahr wurde ein Video der Kirche von 300 bis 500 Leuten geguckt, heute knackt sie hin und wieder die 1000er-Marke, ein Video hat sogar 24.200 Zuschauer. Die Videos kann man übrigens nicht nur auf TikTok sehen, auch wenn sie dort zuerst geteilt werden: Auch Facebook und Instagram bekommt was davon ab.

@stmarylestrand Day 4 of Magnolia Watch and we’ve got some exciting developments #Magnolia #London #Church #Spring #VisitLondon #JewelintheStrand #placestovisit ♬ Vivaldi "Four Seasons" "Spring" - harryfaoki

Immer positiv, niemals deprimierend: Die tägliche „Magnolia Watch“

Es müssen wohl die Frühlingsgefühle sein. Denn jeden Tag steht Pfarrer Babington neben dem Magnolienbaum seiner Kirche und gibt minutiöse Updates über die Entwicklung der Blüten, immer zum Soundtrack von Vivaldi: „Wir hatten heute unser erstes gefallenes Blütenblatt, hier seht ihr es. Aber es sind immer noch jede Menge auf dem Baum und sie sind absolut wunderschön.“

Oder: „Es war recht kalt in London, besonders über Nacht, und ich hatte ein bisschen Sorgen als ich heute zur Kirche gelaufen bin, wie es sein würde. Denn eine Sache, die man über Magnolien wissen sollte: Frost kann absolut zerstörerisch für die Blüten sein (...) hier können Sie es genau sehen: Ein leichter Frostbrand auf dieser Blüte.“

Wirklich negativ wird Babington mit seinem fröhlichen Gemüt aber nie. Der Frühling steht schließlich vor der Tür! Und wer würde sich da nicht mitreißen lassen, vor einem netten alten Mann, der absolut vernarrt in seine Magnolien zu sein scheint.

Ich freue mich jedenfalls jedes Mal, wenn ich TikTok öffne, dass mir der Algorithmus zuverlässig das aktuellste Update zu den Magnolien vor St. Mary le Strand auf die Startseite spült. Und habe Pfarrer Babingtons Stimme im Kopf, wenn ich durch meine eigene Nachbarschaft laufe und Ausschau nach Frühblühern halte.

Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com