Links: Ein Foto aus längst vergessenen Zeiten. Rechts: Schwimmmeister René Czaya im Freibad Pankow. Die Tribüne ist zugewuchert. Zweimal im Jahr wird gemäht.
Links: Ein Foto aus längst vergessenen Zeiten. Rechts: Schwimmmeister René Czaya im Freibad Pankow. Die Tribüne ist zugewuchert. Zweimal im Jahr wird gemäht. picture alliance/ZB, Hildebrandt

Okay, mit der Spanischen Treppe in Rom kann es die vielleicht berühmteste Treppe Pankows nicht aufnehmen. Doch wer in den 1980er und 1990ern das wilde Treiben unter der Berliner Brutzelsonne auf den Betonstufen im Freibad Pankow miterlebte, der fühlte sich manchmal schon wie an der italienischen Riviera. 

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Hundert Meter lang, auf sechs Ebenen bot sich genug Platz für das pralle Freibadleben. Links lagerten die Fußballer vom BFC mit ihren Familien. Rechts vom Aufgang die Muskelmänner. Delial- oder Niveaduft hing in der Luft, oder ein Hauch von Bockwurst, wenn man von der Imbissbude kam. Auf den heißen Stufen verbrannten wir uns regelmäßig den Hintern, wen wir uns neben das Handtuch setzten. Die nassen Füße ganzer Generationen von Badenden haben hier ihren flüchtigen Abdruck hinterlassen.

René Czaya fing in den 90er-Jahren als Rettungsschwimmer an

René Czaya ist Schwimmmeister in dem Pankower Bad und hat in den 1990ern hier als Rettungsschwimmer angefangen. Er erinnert sich daran, wie unfassbar voll es hier in den Sommern war. Handtuch lag neben Handtuch, rot-weiße Liegestühle im Verleih versprachen Entspannung. Irgendwo dudelte immer ein Radio, lässig saßen die Bademeister ganz oben im Schatten der Umkleiden und hatten ihre Pappenheimer im Blick. Bis zu 18 000 Menschen waren zu DDR-Zeiten an heißen Tagen hier unterwegs. Heute sind es, wenn es nicht gerade Einlassbeschränkungen wegen Corona gibt bis zu 7000. 

Der Sprungturm von Pankow wurde mittlerweile einen Kopf kürzer gemacht und ist nur noch siebeneinhalb Meter hoch. Von der Tribüne hatte man den perfekten Blick.&nbsp;<br>
Der Sprungturm von Pankow wurde mittlerweile einen Kopf kürzer gemacht und ist nur noch siebeneinhalb Meter hoch. Von der Tribüne hatte man den perfekten Blick. 
Foto: Imago

Und heute? Die Tribüne ist ein kleines Biotop geworden. Zwei mal im Jahr kommen die Gärtner des Freibads und kappen die Robinien, Disteln und Holunder und Johanniskraut. Dann darf Gras über die Stufen wachsen. Wann wird denn hier was gemacht, fragen die Gäste den Schwimmmeister, doch der hat auch keine Ahnung.

„Die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) planen nach wie vor mit einer Instandsetzung der Terrassenanlage“, sagt Pressesprecher Matthias Oloew.  Ursprünglich sollte dies im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bau des neuen Multifunktionsbades geschehen. Doch der verzögert sich. Frühestens 2024 wird begonnen, 2027 soll das Bad fertig sein. Die Bäderbetriebe prüfen, inwieweit die Instandsetzung der Terrassen vorgezogen werden kann.

Die Terrassen im Sommerbad Pankow sollen wieder hergerichtet werden. Bis dahin hat die Natur fast freie Hand.&nbsp;
Die Terrassen im Sommerbad Pankow sollen wieder hergerichtet werden. Bis dahin hat die Natur fast freie Hand.  Foto: Gerd Engelsmann

Und so bleibt vorerst nur ein etwas wehmütiger Blick zurück in die Vergangenheit. Mit blinzelnden Augen in Richtung Zehner äugen. Auf den Quietscher warten, wenn die Mädels auf den unteren Reihen neben dem Becken nass werden, sobald einer der Mutigen mit einer Riesenwelle ins damals noch zehn Meter längere Sprungbecken klatscht. Ein Raunen geht durch das Publikum auf der Piazza, wenn einer einen Kunstsprung zeigt. Die Erzählung übrigens, dass einmal ein Springer über das Becken hinaus geriet, ist eine Legende, sagt René Czaya. Wie Pankows einzige Piazza längst auch eine ist.

Stefanie Hildebrandt schreibt für den KURIER regelmäßig über Berlins Kieze.
Kontakt, Anregungen, Fragen, Kritik: wirvonhier@berlinerverlag.com