Grüße aus der Heimat: Wenn beim Urlaub am Mittelmeer der Osten fröhlich klappert
Beim Herbsturlaub auf der griechischen Insel Kos entdeckte unser Autor Störche aus Brandenburg, die auf dem Weg nach Afrika sind.

Man glaubt es kaum: Die östliche Heimat kann auch im fernen Süden so nah sein. Da verbringt man nun die Herbstferien mit der Familie weit weg von zu Hause auf der griechischen Insel Kos, liegt faul am Strand, um noch einmal in diesem Jahr die wärmende Sonne am Meer zu genießen und vom Alltagsstress von daheim abzuschalten – da tauchen plötzlich Bekannte aus dem Berliner Umland auf. Und ehrlich gesagt, ich war richtig erfreut, sie zu sehen.
Alle KURIER-Kolumnen finden Sie auf unserer Kolumnen-Seite! >>
Es waren Störche! Zunächst schenkte ich ihnen gar keine Beachtung, als sie noch wie zehn kleine schwarze Punkte am Horizont an der gegenüberliegenden türkischen Küste zu sehen waren. Erst als sie näher kamen, wurde ich auf sie aufmerksam, und fragte mich, was das für große Vögel sind, die da plötzlich zwischen den kleinen Felseninseln im Auf- und Abflug scheinbar orientierungslos ihren Weg entlang am Mittelmeer suchen.
Es brauchte eine Weile, bis ich ihre schwarz-weißen Flügel und ihre langen Hälse erkannte und sah, dass es Störche waren. Kamen sie etwa aus dem brandenburgischen Linum oder Wustermark, wo ich jedes Frühjahr begeistert diese Vögel bei meinen Ausflügen bestaune? Als sie majestätisch an unserem Strand vorbeiflogen, war es, als würden sie mir einen Gruß aus der Heimat schicken.

Das können durchaus Störche aus Brandenburg gewesen sein, erklärt mir nach dem Urlaub Nabu-Expertin Lisa Hörig aus dem Storchendorf Linum. „Die letzten Vögel haben Ende August sich auf die Ost-Route über Ungarn, Bulgarien in Richtung Türkei aufgemacht, um nach Afrika zu fliegen“, sagt sie. „Viele überwintern südlich der Sahara, einige sogar in Südafrika.“ Bis zu 10.000 Kilometer lang ist ihre Reise, für die die Störche zwischen zwei und vier Monate brauchen, bis sie ihr Ziel erreichen.
Dass ich sie am Mittelmeer gesehen habe, ist schon eine Ausnahme. Denn Störche meiden den Flug über große Gewässer. Der Grund: Störche sind Segelflieger. Um Energie zu sparen, nutzen sie beim Fliegen warme, aufsteigende Winde, die sie beim Direktflug über das offene Meer nicht finden.

Doch einige nutzen den Weg vom griechischen Festland über die dichte Insellandschaft der Ägäis, die zum Mittelmeer gehört, um über die Türkei nach Afrika zu kommen. Zwischen 1000 und 2000 Meter Höhe suchen sie im ständigen Auf- und Abflug den Aufwind, der sie durch die Luft trägt. Dies erklärt auch die scheinbare Orientierungslosigkeit der Störche, die ich vor Kos beobachtet habe, sagt die Nabu-Expertin.

Die etwa 1200 Storchenpaare in Brandenburg hatten es in diesen Jahr nicht leicht. Vor allem der Starkregen im Sommer machte ihnen zu schaffen. Durch die Nässe starb so mancher Nachwuchs an Unterkühlung. In Linum haben von den 14 Jungvögeln nur sechs überlebt, sagt Lisa Hörig.
Bleibt zu hoffen, dass das kommende Jahr für die Störche besser wird und dass sie im nächsten Frühjahr zahlreich aus dem Süden in unsere Heimat zurückkehren. Ich freue mich schon auf das Wiedersehen.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com