Die Heimat-Kolumne
Siehst du Osten oder Westen? Das Testbild hat es verraten
Unser Autor erinnert sich an eine absurde Geschichte aus seiner DDR-Schulzeit.

Woran merkt man eigentlich, dass man alt wird? Daran, dass ich mich an Zeiten erinnern kann, als es im Fernsehen noch ein Testbild gab. Immer über mittags, wenn die Sender eine Sendepause einlegten – oder um Mitternacht beim Sendeschluss. So war das im Osten und im Westen. Heute ist das unvorstellbar, wo man nun täglich rund um die Uhr vor der Glotze sitzen und sich mit Filmen, Serien und Trash-Shows nonstop berieseln lassen kann.
Wie ich auf das Testbild komme, dass vor fast 70 Jahren erstmals ausgestrahlt und in den 1990er-Jahren abgeschafft wurde? In meinem Kollegenkreis kam das Thema gerade vor kurzem durch einen Zufall auf. Gepaart mit der Frage, ob es zwischen den Testbildern des DDR-Fernsehens und denen von ARD und ZDF einen Unterschied gab. Und da fiel mir sofort diese Geschichte aus DDR-Zeiten ein.
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Das Testbild als politische Fangfrage in der DDR-Schule
Ich erinnere mich an ein absurdes Ereignis aus meiner Schulzeit, wie eine Lehrerin tatsächlich ernsthaft mittels des Testbildes herausbekommen wollte, wer nun unter uns Grundschülern Westfernsehen sieht und wer nicht und stellte die scheinbar harmlose Frage: „Hat das Testbild nur Kästchen oder auch Balken?“
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Zwar hatten die Testbilder im Osten wie im Westen einen Kästchen-Hintergrund und einen großen Kreis in der Mitte. Aber der Teufel steckte im Detail. Das ARD- und ZDF-Testbild hatte im oberen Teil bis fast zur Mitte des Kreises farbige beziehungsweise schwarz-weiße Balken, im DDR-Testbild waren diese Abstufungen ebenfalls in Kästchen-Form und alles viel kleinteiliger gehalten.

Kästchen oder Balken? Um der Fangfrage zu entgehen, hielten sich die meisten meiner Klassenkameraden an die Mahnung ihrer Eltern, nie zu sagen, welche Sendungen daheim im Fernsehen wirklich laufen, wenn jemand danach fragt. Denn die Feindsender ARD und ZDF durfte in der DDR offiziell nur Chef-Ideologe Karl-Eduard von Schnitzler schauen – für seinen montäglichen „Schwarzen Kanal“ im Ostfernsehen.
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Und darum beantworteten fast alle aus meiner Klasse die Testbildfrage so: „Unsere Eltern lassen uns nur das Sandmännchen sehen.“ Dies führte nun zur nächsten Fangfrage, denn die Lehrerin gab ja nicht auf: „Kommt das Sandmännchen vor den Nachrichten?“ Sie sagte absichtlich nicht „Aktuelle Kamera“.

Wer da schnell Ja sagte, wäre sogar in den Verdacht geraten, dass daheim Westfernsehen geschaut wurde. Denn „Unser Sandmännchen“ kam stets um 18.50 Uhr – und er war pünktlich mit dem Traumsandverschütten fertig, wenn um 19 Uhr im ZDF die „heute“-Sendung begann. Die „Aktuelle Kamera“ lief ja erst um 19.30 Uhr. Streng genommen hatte das Sandmännchen aber auch in diesem Fall vor den Nachrichten seinen Auftritt gehabt.
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Siehst du Ost- oder West-TV? Auch das Sandmännchen musste als „Verräter“ herhalten
Was nun die Lehrerin mit den Erkenntnissen aus ihrer blöden Fragerei machte und an wen sie diese weiterreichte, habe ich nie erfahren. Ich glaube, dass sie es nicht ganz freiwillig tat. Wer schaute sich damals auch schon ein Testbild an? Möglicherweise gab es eine Anweisung von ganz oben aus dem Volksbildungsministerium von Frau Honecker.

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Die Einzigen, die damals wahre Freude am Testbild hatten, waren übrigens die Fernsehmonteure. Zu uns kam auch einmal einer zu Besuch, um unseren Schwarz-Weiß-Apparat wieder auf Vordermann zu bringen. Natürlich nachmittags, wenn das Testbild lief. Damit konnte er die Schärfe, die Helligkeit und den Kontrast der Bildröhre am besten einstellen. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, ob er dafür das Ost- oder das West-Testbild benutzte.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com